Asyl: Sportler sitzen in der Zwickmühle

In 400 der 7000 Turnhallen in NRW sind Flüchtlinge untergebracht. Vereine schwanken zwischen Integration und Existenzangst.

Asyl: Sportler sitzen in der Zwickmühle
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Düsseldorf. In rund 400 der 7000 Sporthallen in Nordrhein-Westfalen sind aktuell Flüchtlinge untergebracht. Das ergab eine Umfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW. Die Folgen sind für den Schulsport und Sportvereine spürbar. Laut Deutschem Olympischen Sportbund (DOSB) sind allein in NRW etwa 1000 Vereine betroffen. 200 Ligaspiele mussten abgesagt werden, manche Vereine sind mit einem Mitgliederschwund von bis zu 30 Prozent konfrontiert worden.

Der Landessportbund NRW (LSB) hatte auf die Ergebnisse der Umfrage des Städte- und Gemeindebundes reagiert. „Wir müssen alles tun, damit die Stimmung nicht kippt. Die Nutzung von Sporthallen darf keine Dauerlösung sein“, sagte Siggi Blum, Leiter des Kompetenzzentrums des LSB.

Die Dachorganisation von rund 19 500 Vereinen sitzt angesichts der Flüchtlingsunterbringung in einer Zwickmühle: Einerseits leisten viele Mitglieder des LSB ihren Beitrag zur Integration, andererseits geraten insbesondere kleinere Vereine in eine existenzbedrohende Situation.

„Wenn sie nur 80 Mitglieder haben und davon treten zehn aus, weil der Verein sein Sportangebot in der Halle nicht mehr aufrechthalten kann, tut das weh“, erklärte Frank-Michael Rall, Sprecher des Landessportbundes. Mancherorts hätten sich sogar lokale Sponsoren zurückgezogen. „Wenn Unternehmen in einer Halle werben, wollen sie wissen, wann dort das nächste Spiel des Vereins stattfindet. Das weiß man aber nicht immer, wenn Flüchtlinge darin untergebracht sind“, so Rall.

Der Sprecher ist hörbar darauf bedacht, den schmalen Grat zwischen sportlicher Willkommenskultur und Interessenvertretung der Vereine nicht zu verlassen. Grund für „Schreckensszenarien“ oder eine „Panikwelle“ sei die aktuelle Situation noch nicht. Rall: „Wir sagen der Politik aber auch: Denkt doch auch mal an andere Immobilien. In leerstehenden Büros, Krankenhäusern oder Wohnungen sind doch auch Sanitäranlagen vorhanden.“

Stefan Kühn, Wuppertaler Sozialdezernent

Wie es funktionieren kann, zeigt das Beispiel Wuppertal. Rund 5300 Flüchtlinge muss die Stadt unterbringen. Doch erst im September wurden dort erstmals zwei Sporthallen zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut. Eine davon, im Schulzentrum Süd in Küllenhahn, ist mittlerweile wieder für den Sportbetrieb freigegeben. Aus der anderen, im Stadtteil Ronsdorf, sind die Asylsuchenden bereits ausgezogen. In der kommenden Woche soll auch hier wieder Sport stattfinden. „Damit waren wir wahrscheinlich die letzte Kommune in NRW, die Flüchtlinge in Sporthallen untergebracht hat — und sind die erste, die die Hallen wieder freigibt“, sagt Sozialdezernent Stefan Kühn.

Der Immobilienmarkt in der Stadt kommt den Verantwortlichen entgegen. Zahlreiche Leerstände bieten die Möglichkeit, dort Flüchtlinge unterzubringen. „Unsere Strategie ist es aber eben, diese Möglichkeit auch zu nutzen“, erklärt Kühn. Muss eine Sporthalle für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden, sucht die Verwaltung parallel nach Alternativen, um die Halle möglichst schnell wieder nutzbar zu machen. Privatwohnungen anzumieten sei nicht nur preiswerter als „Spezialimmobilien“ herzurichten. Auch erhöhe es die Akzeptanz gegenüber den Flüchtlingen, wenn der Sport nur kurzfristig auf seine Hallen verzichten müsse. „Denn wenn der eigene Verein kollabiert, sinkt die Akzeptanz der Betroffenen rapide“, so Kühn.

Volkmar Schwarz, Geschäftsführer des Wuppertaler Stadtsportbundes, lobt die hohe Verlässlichkeit des „Wuppertaler Modells“, wie er es nennt. Weil die Vereine wüssten, dass sie die Hallen zeitnah wieder nutzen können, seien sie gerne bereit zurückzustehen. Ähnlich flexibel zeigen sich laut NRW-Schulministerium übrigens auch die Schulen — nicht nur in Wuppertal. „Die Rückmeldungen, die wir bekommen, zeigen eines: Sie handeln verantwortungsvoll und kreativ“, so ein Sprecher.

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