Attentat auf Alfred Herrhausen: Ein Anschlag, keine Spur

Morgen vor 25 Jahren starb der Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, durch eine Bombe. Bis heute ist der Fall rätselhaft.

Das ausgebrannte Fahrzeug nach dem Anschlag.

Das ausgebrannte Fahrzeug nach dem Anschlag.

Foto: dpa

Frankfurt. Die Explosion in Bad Homburg erschüttert ganz Deutschland, reißt es aus seiner Mauerfall-Euphorie. Als der schwergepanzerte Mercedes um 8.37 Uhr die Lichtschranke durchfährt, löst er die auf einem abgestellten Fahrrad deponierte Bombe aus. Die Wucht hebt das tonnenschwere Fahrzeug hoch, schwer beschädigt bleibt es quer zur Fahrbahn liegen — das Bild brennt sich ein. Bis heute.

Alfred Herrhausen im Jahr 1989 kurz vor seinem Tod.

Alfred Herrhausen im Jahr 1989 kurz vor seinem Tod.

Foto: Rüdiger Schrader

Der Fahrer wird bei dem Anschlag vor 25 Jahren nur leicht verletzt, der 59-Jährige auf der Rückbank ist das eigentliche Ziel: Alfred Herrhausen, Sprecher des Vorstands der Deutschen Bank, verblutet am Tatort. Der Bankmanager ist heute neben Hanns Martin Schleyer das bekannteste Opfer der RAF. Doch neben dem Mythos bleiben viele Zweifel.

Herrhausen gilt 1989 als einer der ersten Stars unter den Topmanagern. Er hebt sich ab. Die Vorstände der Banken und Konzerne sind meist geschlossene Zirkel älterer Männer. Der gebürtige Essener tritt hingegen dynamisch, alert auf, äußert sich zu politischen und sozialen Themen, ist enger Vertrauter von Kanzler Helmut Kohl (CDU). Einen Schuldenerlass für die Dritte Welt hat er sich auf die Fahnen geschrieben, jettet dafür durch die Welt. Das bringt ihm viel Anerkennung ein, weckt aber auch Argwohn und Neid. Zumal Herrhausen für die Banker einen Makel hat: Er ist Quereinsteiger aus der Energiebranche. Sein forscher Expansionskurs wird nicht von allen goutiert.

Neben der Batterie für die Lichtschranke wird ein Bekennerschreiben der „Rote Armee Fraktion“ gefunden. Es zeigt das RAF-Emblem und drei Worte: „Kommando Wolfgang Beer“. Der Stil ist untypisch für die RAF, die ihre Taten bislang immer ideologisch begründet hat. Das nährt Zweifel an der offiziellen Version. Danach ist der 1993 in Bad Kleinen getötete Wolfgang Grams einer der möglichen Täter. Er ist eine der zentralen Figuren der dritten Generation der Terrorgruppe, die vor allem eines charakterisiert: Sie hinterlassen keine Spuren.

Der Vorwurf des Totalversagens ist für die Sicherheitsbehörden kaum zu widerlegen: Obwohl Herrhausen als eine der bestbewachten Personen Deutschlands gilt, nimmt niemand davon Notiz, dass die Täter schon Wochen vorher den Tatort ausspähen und eine falsche Baustelle anlegen — amateurhaft mit Brechstange und Hammer. Eine gelegte Verkabelung in einem Gebüsch findet ein Spaziergänger, die Täter bessern wenige Tage später nach — ungestört. Nach der Tat geraten Fahnder und Geheimdienste ins Zwielicht. Sie präsentieren Zeugen, die keine sind. Der Verdacht der Spurenmanipulation wird laut.

In den Frankfurter Türmen der Deutschen Bank währt der Schock an jenem Tag nur kurz. Bereits mittags tritt der Vorstand zusammen, wenig später steht mit Hilmar Kopper der Nachfolger Herrhausens fest. Die Bank wollte Handlungsfähigkeit demonstrieren, wird er später sagen. Erst wenige Tage zuvor hatte sie eine britische Investmentbank übernommen, war in ein globales Geschäft vorgestoßen, das bislang von japanischen und US-Banken bestimmt war.

Bis heute wird der Fall Herrhausen von vielen Seiten instrumentalisiert. Den einen dient er für Verschwörungstheorien vom mordenden Staat, der die dritte Generation für eine Fiktion hält, obwohl RAF-Terroristin Eva Haule 2007 sagt: „Die RAF war verantwortlich.“ Andere vermuten wirtschaftliche Interessen: Bei einem Schuldenerlass wäre die Deutsche Bank abgesichert gewesen, nicht aber die Konkurrenz. Selbst Alfred Herrhausen wird instrumentalisiert: Wer sich in der Bankenkrise positionieren will beruft sich auf den „Banker mit sozialem Gewissen“. Wie Herrhausen sich in der Bankenkrise verhalten hätte? Auch das ist Spekulation.

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