Beratungsstellen für Frauen: „Kachelmanns Thesen sind unrealistisch“

Beratungsstellen für Frauen kritisieren den Wettermoderator. Der fordert von seiner Ex-Geliebten vor Gericht Schadenersatz.

Krefeld/Düsseldorf. Jörg Kachelmanns Buch verkauft sich gut. „Recht und Gerechtigkeit“ liegt auf Platz fünf der Spiegel-Bestsellerliste für Sachbücher. Auch wenn die Kasse klingelt, auf Schadensersatz will der Wettermoderator nicht verzichten.

Deshalb traf er am Mittwoch vor Gericht erneut auf seine Ex-Geliebte — mehr als 13 000 Euro für Gutachten, mit denen er sich gegen den Vorwurf der Vergewaltigung verteidigt hatte, fordert er von Claudia D.

Vor dem Landgericht Frankfurt demonstrierten Aktivistinnen einer „Initiative für Gerechtigkeit bei sexueller Gewalt“ — sie kritisieren Kachelmanns Aussage, es gebe eine „Opferindustrie“, die zum Nachteil beschuldigter Männer wirke.

Frauenberatungsstellen aus der Region unterstützen die Kritik. „Kachelmanns Thesen sind unrealistisch“, sagt Christiane Vogelgesang von der Frauenberatungsstelle Krefeld.

Der Autor behauptet in seinem Buch, dass eine „deutliche Mehrheit aller Vergewaltigungsanzeigen“ keine reale Basis habe. Miriam Kachelmann, die ein eigenes Kapitel verfasst hat, schreibt: „Die Waffe Falschanzeige ist scharf und effizient und erfreut sich wachsender Beliebtheit.“

Die Zahlen zeigen etwas anderes. Ute Nöthen-Schürmann, Opferschutzbeauftragte der Polizei Krefeld: „Rund fünf bis zehn Prozent der angezeigten Vergewaltigungen in Deutschland sind vorgetäuscht.“ Dass dabei eine bestimmte Person beschuldigt wird, sei sehr selten. In den meisten Fällen sei von einem unbekannten Täter die Rede.

„Von einem Massenphänomen der Falschanzeigen zu sprechen, ist Unsinn und gefährlich“, sagt auch Etta Hallenga, die in der Frauenberatungsstelle Düsseldorf Vergewaltigungsopfer betreut. Frauen, die zu ihr kommen, seien derzeit verunsichert.

„Eine Frau, deren Vergewaltiger bald vor Gericht steht, hat mich gefragt, ob sie auch damit rechnen muss, ihren Namen in einem Buch zu lesen.“ Nach der Medienpräsenz befürchtet sie, dass sich vielleicht noch weniger Opfer trauen, zur Polizei zu gehen.

Nach einer Studie des Bundesministeriums für Familie zeigen nur fünf Prozent der Betroffenen eine Vergewaltigung an, 13 Prozent der Fälle enden mit einer Verurteilung. „Auf eine angezeigte Vergewaltigung kommen im Schnitt zehn nicht angezeigte“, erklärt Ute Nöthen-Schürmann.

Frauen hätten häufig Angst, dass man ihnen nicht glaubt. „Wir sind unvoreingenommen, gehen immer erst davon aus, dass die Wahrheit gesagt wird“, sagt sie.

Der Versuch einer gütlichen Einigung über Schadenersatz für den Moderator scheiterte am Mittwoch. Das Gericht werde einen neuen Verhandlungstermin ansetzen, sagte der Vorsitzende Richter der Zivilkammer. Kachelmann bleibt wohl weiter in den Schlagzeilen.

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