Braunkohlegegner im Loch

Ein junger Umweltaktivist ist selbstverschuldet in Lebensgefahr. Trotz Einsturzgefahr narrt er die Rettungskräfte.

Kerpen. Ist dieser Mensch noch zu retten? Die Frage lag vielen Helfern in diesem Moment auf der Zunge. Kurz vor der Rettung aus einem unterirdischen Hohlraum ist ein junger Umweltaktivist den Helfern am Freitag entwischt. „Er hat sich in einen Gang zurückgezogen, der nicht gesichert ist“, sagte Polizeisprecher Anton Hamacher. Die verhinderten Retter sind erst einmal hilflos. Ein gefährliches Katz-und-Maus-Spiel. Gefährlich nicht nur für ihn.

Der etwa 25-jährige Mann, der in der Szene Sven genannt wird, gehört zu den 24 jungen Leuten, die monatelang den vom Tagebau bedrohten Hambacher Forst besetzten und ihn damit schützen wollten. An der Kante des wohl größten europäischen Tagebaus lebten sie in selbst gebauten Hütten und Baumhäusern. Dass das Braunkohleunternehmen RWE Power irgendwann die Polizei schicken würde, war jedem klar. Sie bereiteten sich vor. So gut, dass die Polizei am Dienstag den Zugang zu dem gut sechs Meter tiefen Schacht erst Stunden nach Beginn der Räumung mit immerhin rund 500 Beamten entdeckte.

Von dem Schacht geht ein so schmaler und fragiler Stollen ab, dass erfahrene Leute der Grubenwehr aus Herne sich kein zweites Mal bis zu dem Mann in dem Hohlraum vortrauten. Viel zu gefährlich. Spätestens da war klar: Der Aktivist ist in Lebensgefahr.

Auch den mutigen Männern der Grubenwehr machte der Mann im Loch klar: Er will nicht gerettet werden. Er will weiter gegen die Braunkohle protestieren. Hier unter der Erde. Gefahr hin oder her. Enge, Dunkelheit, Gestank, meterdickes Erdreich über ihm — selbst das machte den Aktivisten offensichtlich nicht mürbe.

Bei ihrem Rückzug legten die Helfer einen Schlauch für die Sauerstoffzufuhr. Über diese Leitung sprachen die Helfer — vor Ort ist täglich ein Großaufgebot von bis zu 200 Kräften — mit dem Mann. Freitagmittag sackte bei den Rettungsarbeiten Erde nach und gab einen kleinen Blick auf den Aktivisten frei. „Zwischen ihm und den Rettern gibt es ein gutes Verhältnis. Er wird vielleicht bereit sein, sich raustragen zu lassen“, hoffte da Polizeisprecher Hamacher.

Der Zugang wurde mit Stützen abgesichert, Vorfreude bei Hamacher. Kurz danach die Enttäuschung. Die Retter waren mit Seilen an ihren Klettergurten gesichert bei Sven, als er entwischte. Der Aktivist floh am Nachmittag in einen Seitengang. Vorher trat er die Sicherungs-Stützen ein und machte die Verfolgung unmöglich. Die Retter werden jetzt diesen Gang mühsam neu absichern und dem Mann folgen. Ende nicht absehbar.

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