Charité-Arzt attackiert - Baby-Infektionen weiter rätselhaft

Berlin (dpa) - An der Berliner Charité ist ein Chefarzt mit Stöcken und Fußtritten attackiert und schwer verletzt worden. Die Täter sollen dem Gynäkologen Behandlungsfehler vorgeworfen haben. Indes ging die Suche nach der Quelle eines Darmkeims auf zwei Charité-Stationen weiter.

Sechs erkrankte Kinder werden noch behandelt. Acht weitere Babys, die den Keim in sich tragen, werden intensiv beobachtet, teilte Deutschlands größtes Uniklinikum am Mittwochabend mit. Es gebe keine neuen Fälle.

Ein vermutlich an Darmkeimen gestorbenes Baby wurde laut Staatsanwaltschaft bereits am 12. Oktober auf einem muslimischen Friedhof am Columbiadamm bestattet. Um den Verbleib des Säuglings hatte es zunächst Wirbel gegeben.

Laut Polizei wollten sich die zwei geflüchteten Angreifer am Dienstag möglicherweise an dem Gynäkologen für die angeblich falsche Behandlung einer Frau rächen. Die Schläger waren noch nicht gefasst. Ein Zusammenhang mit den kranken Babys in der Charité wurde ausgeschlossen. Täter und Opfer kannten sich eher nicht, hieß es bei Ermittlern. Auch bei der Berliner Ärztekammer war nicht bekannt, ob der Mediziner angezeigt wurde.

Das Überfallopfer gilt laut Ärztekammer als äußerst kompetenter Mediziner, der auch Seminare zur Kommunikation zwischen Arzt und Patienten gebe. Zu Übergriffen auf Ärzte ist es wiederholt gekommen. Erst im März waren zwei Mediziner in ihrer Praxis in Rheinland-Pfalz von einem Rentner erschossen worden. Der 78-Jährige tötete sich dann selbst. Verschärfte Sicherheitskonzepte für Krankenhäuser wollen Marburger Bund und Ärztekammer nicht.

Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) besuchte den überfallenen 44-jährigen Leiter der Gynäkologie am Virchow-Klinikum im Wedding, das zur Charité gehört, am Krankenbett. Der Professor erlitt einen Rippenbruch, Prellungen und Schürfwunden. Ein Kollege, der helfen wollte, wurde ebenfalls angegriffen.

Der Senator sprach von einem feigen Überfall. Er hoffte auf eine rasche Festnahme der Täter. Ein gutes Dutzend Zeugen hätten die flüchtenden Täter gesehen, da gerade Visite war. Einige hätten bereits ausgesagt.

Laut Charité ist der Arzt auf dem Weg der Besserung. Eine Verbindung zu den Infektionen auf zwei Charité-Stationen, in denen Frühchen und Neugeborene mit schweren Erkrankungen behandelt werden, sei spekulativ. Der Arzt sei nicht in diesem Bereich tätig.

Der Säugling starb am 5. Oktober im Deutschen Herzzentrum. Das Kind war dort erfolgreich operiert worden. Danach war jedoch die Darmkeim-Infektion, die es sich zuvor vermutlich auf einer Frühgeborenen-Station der Charité zugezogen hatte, wieder aufgeflammt. Laut Gesundheitssenator Czaja gab es erst nach der Beisetzung des Säuglings Erkenntnisse, dass es mit Darmkeimen befallen war.

Unklar blieb zunächst ob der kleine Leichnam noch obduziert werden soll. „Wir prüfen jetzt mit einem auswärtigen Gerichtsmediziner, ob eine Obduktion noch sinnvoll ist“, sagte Staatsanwaltschaftssprecher Martin Steltner. Die Staatsanwaltschaft habe erst am Mittwoch offiziell von der Bestattung erfahren. Sie ermittelt gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung. Die Charité teilte dagegen mit, sie habe die Staatsanwaltschaft schon früher über die Identität des Säuglings und den Wohnort der Eltern informiert.

Laut Steltner wusste die Familie des toten Kindes bislang nichts von den Keimen. Sie sei erst jetzt benachrichtigt worden. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, sagte der Nachrichtenagentur dpa, in den letzten Lebenstagen sei das Kind im Herzzentrum gewesen. Nun habe aber die Charité die Eltern informiert, weil Hebammen gute Kontakte zu der Familie hätten.

Gesundheitssenator Czaja kritisierte am Mittwoch die Informationspolitik der Charité. Der Ärztliche Direktor Frei sagte jedoch, einen Skandal sehe er nicht.

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