Das Grab im eigenen Garten

Viele Angehörige möchten die Asche ihres verstorbenen Partners zu Hause wissen. Ingrid Hoerner aus Mönchengladbach hilft ihnen dabei.

Das Grab im eigenen Garten
Foto: dpa

Mönchengladbach. Wenn die Sonne aufgeht, schaut Maria Berger (Name von der Redaktion geändert) in Dortmund aus dem Fenster in ihren Garten. In Gedanken spricht sie mit ihrem Mann. Vor drei Monaten ist er gestorben, aber weit ist er nicht von ihr: Seine Asche liegt bei Frau Berger im Garten. Dort, wo sich die Bergers so gerne aufgehalten haben. „Alles haben wir hier selbst gemacht“, sagt Frau Berger stolz. „Jetzt habe ich ihn noch bei mir. Das hilft mir sehr, mit der Trauer umzugehen.“

Das Grab im eigenen Garten
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Dass Frau Berger mit der letzten Ruhe ihres Gatten im Garten eine Ordnungswidrigkeit begeht, für die sie ein Bußgeld im vierstelligen Bereich zahlen müsste, weiß sie. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. In der „guten Nachbarschaft“, wie sie es nennt, erhebt niemand die Stimme. Und der Staat sei seltsam zurückhaltend bei Verstößen gegen die Bestattungspflicht, sagt Brian Mü-schenborn, stellvertretender Vorsitzender des Bezirksverbandes Köln im Bestatterverband NRW.

Ein Umstand, der Ingrid Hoerner (Foto: Kupfer) zugute kommt. Die Mönchengladbacherin hat Frau Berger geholfen, ihren Mann „nach Hause zu holen“, wie sie es nennt. Das ist Hoerners Profession. Seit zwölf Jahren macht sie das. Aus Überzeugung, sagt sie. Weil sie der Meinung ist, dass die engsten Angehörigen mit der Asche des Verstorbenen „machen können, was sie wollen“. Vorschriften des Staates selbst nach dem Tod — das ist nicht Hoerners Ding. Selbstbestimmung und das Recht der Trauernden — das hat Hoerner im Sinn. „Ich bin für eine freie Wahl des Bestattungsortes und der Aufbewahrung der Asche des Verstorbenen.“ Die Frau mit den rotgefärbten Haaren und dem feurigen Engagement in Sachen Tod setzt das konsequent um, bringt 500 bis 600 Mal im Jahr die Asche eines Verstorbenen heim. Und das geht so: Ein ausgesuchter Bestatter trifft die Vorleistungen, darf aber keine Urne an Angehörige aushändigen, weil sie wie Erdbestattungen der Beisetzungspflicht unterliegen. Jetzt kommt Ingrid Hoerner ins Spiel: Die Totenasche wird aus den Niederlanden vom deutschen Krematorium angefordert — zur Beisetzung in den Niederlanden, 200 Euro sind dafür zu zahlen. Geld, für das ein Grabplatz auf dem dortigen Naturbegrabplatz vorgesehen ist. Gebraucht aber wird er meistens nicht.

Jetzt nämlich, so Hoerner, unterliege die Asche dem niederländischen Recht, wo die Aschenkapsel an Angehörige oder eine bevollmächtigte Person ausgehändigt werden darf. Letztere ist Hoerner. Sie bringt die Asche zurück nach Deutschland, was nicht erlaubt ist, aber dennoch geschieht. Die Angehörigen holen die Asche dann entweder bei Hoerner ab oder bekommen Sie per Versanddienst zugeschickt.

Für ihre Dienste, die sie sich mit „Spenden“ bezahlen lässt, wirbt sie auf der Internetseite weg4u.de. Und hat auch persönliche Erfahrung: Teile der Asche ihres Bruders trägt sie in einer Kette um den Hals. Ein schlechtes Gewissen hat Hoerner nicht. „Dem Toten kann ich nicht viel Gutes tun. Mein Augenmerk liegt auf denen, die mit dem Verlust fertig werden müssen.“

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