Der Job zum Fest: Geschenke einpacken

Köln (dpa) - Ein spitzes Lächeln huscht über das Gesicht der schon älteren Kundin. „Das meinen Sie doch wohl nicht ernst?“ Sie deutet auf einen in Folie gepackten Teddy vor ihr auf der Ladentheke.

„So nehm' ich den nicht mit. Der sieht langweilig aus.“

Maike Mannz (19), Geschenke-Einpackerin in einer Parfümerie an Deutschlands meistbesuchter Einkaufsstraße in Köln, antwortet leise und hält den Blick dabei gesenkt. „Also, ich find's schön...“ Dabei befreit sie das von einer Kollegin eingepackte Plüschtier gehorsam wieder aus der Folie.

„Einen Teddy kann man nicht einpacken wie eine Parfüm-Flasche“, doziert die Kundin. „Ein Teddy muss lustig sein.“ Und dann, in gebieterischem Tonfall: „Lustig!“ Das gilt nach ihrer festen Überzeugung auch, wenn ihn ein Erwachsener bekommt. In ihrem Fall sind die Teddys - sie hat gleich zwei davon gekauft - nicht für ein Kind bestimmt, sondern für ihre längst erwachsene Nichte, die sich ihre Freude an Kuscheltieren gleichwohl bewahrt hat. Am Ende ist das Lächeln der Kundin etwas milder. „Nun sagen Sie selbst, sieht das nicht viel ansprechender aus?“

Vorweihnachtlicher Alltag bei Douglas in der Schildergasse. Oder, wie es eine Einpackerin ausdrückt, die ihren Namen lieber nicht veröffentlicht sehen will: „Es ist wieder der alljährliche Wahnsinn.“ Dabei ist es noch nicht mal Samstagnachmittag oder verkaufsoffener Sonntag. Es ist Mittagszeit an einem Werktag, und dementsprechend wenig ist los. Das bedeutet aber immer noch, dass auf drei Etagen jeweils vier Mitarbeiterinnen mit Einpacken beschäftigt sind. Es gibt sogar Spezialkräfte, die den ganzen Tag nichts anderes machen. Geschenke-Einpacken ist der Job zum Fest.

Maria Centonze (37) zum Beispiel arbeitet normalerweise als Friseuse, aber in den Wochen vor Weihnachten wechselt sie hinter die Ladentheke und packt dort bis zu acht Stunden hintereinander Geschenke ein. Wobei einpacken nicht bedeutet, einen Artikel rasch in Papier einzuschlagen. Die Käufer teurer Cremes und Düfte haben höhere Ansprüche. Ihre Geschenke werden mit Schleifen, Bändern, Stickern und anderem Flitterkram verziert. Und das will gelernt sein.

Es beginnt schon mit dem Preis-Abknibbeln. Dabei kann man sich schnell die Fingernägel abbrechen. Die Menge des benötigten Papiers will exakt eingeschätzt sein. Dann muss man es abschneiden, ohne dass Fransen entstehen, und anschließend sorgfältig falten. Kante auf Kante, Linie an Linie. Knoten festziehen, Klebestellen minimieren. Eine Einpackerin, die etwas auf sich hält, benutzt für kleine Pakete nicht mehr als zwei oder drei kleine Tesa-Stückchen. Alles andere sieht behelfsmäßig aus. Runde Artikel sind am schwierigsten zu verpacken, weil man da nicht auf Ecke falten kann.

Douglas ist bekannt für seine Schleifen: groß wie eine Kinderhand, und zusammengesetzt aus vielen kleinen Schleifchen. Um die binden zu können, muss man einen Kursus belegen. Douglas-Schleifen sollen überall gleich aussehen, schließlich sind sie ein Markenzeichen. Aber geübte Einpackerinnen können dennoch unterscheiden, wer welche gebunden hat. Jede Kollegin hat ihre eigene Handschrift. „Eigentlich ist es eine Arbeit für künstlerisch begabte Menschen“, sagt Maria Centonze. „Man muss kreativ sein und kann seine persönliche Note einbringen.“

Schleifenbinden dauert. Das Verpacken eines einzigen Geschenkgutscheins kann fünf Minuten in Anspruch nehmen. Bei allem, was darüber geht, wird es kritisch. Die Kunden schauen dann demonstrativ auf die Uhr, atmen schwer oder suchen Blickkontakt. Manche fragen auch ganz direkt: „Geht das nicht schneller?“ Dann kommt schon mal als Antwort: „Ich hab' auch nur zwei Hände.“

Maria Centonze hat ein Mittel gefunden, um auch in der größten Hektik noch die Ruhe zu bewahren: Sie kann sich so auf das Einpacken konzentrieren, dass sie die Außenwelt kaum noch wahrnimmt, sagt sie. „Das ist wie Meditation.“ Sie hört dann nicht mehr die Weihnachtsmusik, die ohne Unterbrechung aus den Lautsprechern klingt, das Klack-Klack der Stöckelschuhe auf dem Fliesenboden, das Knistern der Folie, das Rascheln der Bänder. Sie riecht nicht mehr die parfümgeschwängerte Luft und hat keine Augen mehr für die lange Reihe von wartenden Kunden. Sie packt.

Jeder Handgriff ist tausendfach erprobt: Das Abreißen des Tesafilms, das Abrollen des Packbands, das Ziehen des Bands durch den sogenannten Ratscher, der es kringelig werden lässt. Wie viele Geschenke sie an einem Tag schafft? „Darüber habe ich noch nie nachgedacht.“

Aber Aylin, die 14-jährige Schülerpraktikantin, die hat mal eine Stunde lang mitgezählt: 52 waren es da. Eigentlich wollte Aylin in der Parfümerie beim Schminken zugucken, aber nun hat sie einen festen Platz beim Verpackungsservice und schon Farbstippen vom Geschenkpapier an den Fingerkuppen. Natürlich fehlt ihr noch die Übung; sie schneidet das Papier zum Beispiel nicht gerade genug ab. Prompt beschwert sich eine Kundin: „Also, das verschenke ich nicht! Da können Sie mir besser das Papier geben - das kann ich besser. So was habe ich bei Ihnen noch nicht gesehen!“

Nebenan hält eine Kundin den Betrieb auf, weil sie sich nicht entscheiden kann. „Rot oder Grün? Was meinst du, Gerda? Rot? Naja, ich hätte Grün genommen...“ Die Schlange wird länger, die Blicke werden unfreundlicher. „Die Kunden sind gestresst“, erzählt die Einpackerin, die anonym bleiben will („Nennen Sie mich Nina“). „Was echt nervt: Wenn da eine mit einem beschissenen Nagellack für 2,95 kommt und dann auch noch Ansprüche stellt.“ Das Verpacken bleibt aber gratis, auch wenn allein schon das Verpackungsmaterial teurer ist als das Produkt.

Nina hält Männer für die angenehmeren Kunden. „Männer sind unkomplizierter. Es gibt auch so Schulungen, dass man Männer anders bedienen soll. Nicht zu länge Sätze, keine blumigen Formulierungen, sondern sagen, was das Produkt kann: "Zieht schnell ein. Ist gut für die Haut." Männersprache halt. Die Verpackung ist den Männern meist ziemlich egal. Nur schön aussehen soll's.“

Alle Kunden sagen „danke“, aber keiner sagt „schön“. Auf Nachfrage behaupten erstaunlich viele, sie könnten es im Grunde genauso gut, wenn nicht besser. „Ich habe im Gartencenter einen Schleifen-Kursus belegt“, erzählt Margarete Bender (66). „Wenn ich Schleifen verschenke und weiß, bei denen landet die im Mülleimer, dann erbitte ich sie zurück.“ Ihre Freundin unterbricht sie ungläubig: „Aber Margarete...?“ - „Ja, natürlich mache ich das! Früher hat man das Geschenkpapier nach Weihnachten sogar gebügelt. Papier zuunterst, feuchtes Tuch drüber, dann noch ein trockenes Tuch, und mit dem Bügeleisen ganz sanft drübergehen. Ich bemühe mich heute noch, Pakete schonend zu öffnen.“

Auch Maria Centonze würde nie eine Verpackung zerreißen. Sie knibbelt das Klebeband ab und hebt die Schleifen auf. „Ich weiß ja, wie viel Arbeit da drin steckt.“

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