„Der ultimative Liebesbeweis“

Zum 1. Mai stellen junge Männer ihrer Liebsten einen Maibaum auf — oder lassen aufstellen.

Düsseldorf. Sonntagfrüh ist es wieder so weit: Viele Mädchen und Frauen in Nordrhein-Westfalen werden gespannt aus dem Fenster schauen und hoffen, dass ein Maibaum vor ihrer Tür steht.

Während etwa in Bayern riesengroße Maibäume in der Dorfmitte aufgestellt werden, ist es besonders in der Region um Aachen/Düren, Köln/Bonn und am Niederrhein üblich, dass Männer in der Nacht zum 1. Mai ihrer Liebsten einen Maibaum stellen. Das begehrte Objekt: eine mehrere Meter große mit Krepppapier geschmückte Birke, die heimlich nachts am Balkon, vor dem Haus oder an dessen Fassade angebracht wird.

Ursprünglich war das Maibaumstellen Teil des sogenannten „Mai-Lehenbrauchs“, einer Art dörflicher Partnervermittlung, die im 17. Jahrhundert entstand. Dabei wurden die unverheirateten jungen Frauen eines Dorfes den Junggesellen für eine bestimmte Zeit als „Lehen“, als Leihgabe übergeben, erklärt der Volkskundler Alois Döring.

Der Brauch hat sich gehalten — aber gewandelt. Im 21. Jahrhundert gibt es gar mehrere Maibaumlieferservices. Einen davon betreibt Marion Wigand seit sieben Jahren in der Region Köln/Bonn. „Viele meiner Freundinnen haben noch nie einen Maibaum bekommen, deshalb wollte ich es den Männern leichter machen“, sagt sie. 2010 konnte Marion Wigand 300 Baumbestellungen verzeichnen. Ursprünglich wollte sie den Service nur einmalig anbieten — inzwischen kommt das Maibaum-Taxi so gut an, dass sie nach Mönchengladbach expandieren möchte.

„Viele Paare tanzen gemeinsam in den Mai oder einige Jungs haben kein Auto — da können die Männer schlecht einen Maibaum stellen“, benennt Wigand Gründe für den Erfolg ihres Unternehmens. Zudem würden viele Studenten, die im Ausland sind, ihre Freundin überraschen wollen.

Ihre Kunden können sich ungeschmückte oder geschmückte Bäume in der Nacht abholen und selbst stellen — oder aber den „Komplettservice“ nutzen: Dann wird ein geschmückter Baum, mit einem Maiherz angeliefert und montiert — für 99 Euro.

Typisch für Männer sei, dass sie erst kurz vor dem Bestellschluss anrufen. Da es in einigen Regionen Brauchtum ist, dass im Schaltjahr Frauen die Maibäume stellen müssen, kann Wigand einen Vergleich ziehen: Weibliche Maibaumkäuferinnen würden mehr auf die Dekoration achten.

„Es ist viel Arbeit, einen Maibaum zu stellen, das machen Männer nicht einfach so“, sagt Wigand. Für sie ist es der „ultimative Liebesbeweis“, für den es nie zu spät sei. Ihr ältester Kunde in diesem Jahr ist 72 — und setzt zum ersten Mal einen Maibaum.

Auch Wigand hat noch Hoffnung — denn die Frau, die vielen Paaren einen glücklichen 1. Mai beschert, hat selbst noch nie einen Maibaum bekommen.

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