Deutschland zeigt Flagge

Zur EM hängen viele Fans wieder Fähnchen ans Auto. Verkaufszahlen wie zur WM 2006 erwarten Fachleute aber nicht.

Düsseldorf. Mindestens eine musste es schon sein. 2006 zur Weltmeisterschaft hingen an vielen Wagen aber gleich mehrere Flaggen. Jetzt ist das schwarz-rot-goldene Glücksgefühl deutscher Fußballfans neu erwacht: Kurz vor der Europameisterschaft flattern wieder viele quergestreifte Fahnen auf den Straßen.

Das bestätigt auch Waltraud Loose, die Geschäftsführerin des Einzelhandelsverbands NRW: "Das Interesse an der Flagge ist wieder da." Im Vergleich zur WM 2006 sei es aber nicht annähernd so hoch. "Unsere Jungs müssen erst zeigen, wie gut sie die Bälle treten", scherzt Loose. Dann ziehe der Verkauf wieder an.

Branchenkenner schätzen, dass während der WM bundesweit etwa fünf Millionen Deutschland-Fahnen über den Ladentisch gingen; vier Millionen von ihnen sollen in Fernost hergestellt worden sein. Allein die Metro hat 170000 Fahnen verschiedener Länder und Größen verkauft, knapp 68000 davon waren Autoflaggen.

"Den richtigen Hype erwarten wir, wenn die Deutschen spielen", sagt Kai Frauenhoff von Fahnen Herold in Wuppertal. "Die Nachfrage nach Nationalfahnen ist aber schon deutlich gestiegen." Der Geschäftsführer schätzt, dass der Betrieb zur Weltmeisterschaft 2006 gut 10000 Autoflaggen verkauft hat. Er bezweifelt jedoch, dass die EM dieses Ergebnis toppen wird, "da sie nicht in Deutschland stattfindet". Eines aber sei geblieben: das "unverkrampfte Verhältnis" zum quergestreiften Stoff.

Für verkrampfte Stimmung hatte ein Gastgeberland gesorgt: Laut Kraftfahrgesetz Paragraf 54 dürfen Flaggen oder Fähnchen der Republik Österreich nur auf Fahrzeugen hoher Staatsbeamter angebracht werden, nicht aber auf Privatautos.

Diese Regelung wurde entschärft: "Sowohl vor als auch während der EM darf man Fanflaggen ungestraft am Fahrzeug anbringen", sagt Martin Hoffer, Jurist des österreichischen Automobil-, Motorrad- und Touring Clubs (ÖAMTC). Auch die Deutschen können ihre Wagen schwarz-rot-gold flaggen.

Hoffer befürchtet, dass die Fahnen Fußballfans verschiedener Länder "polarisieren" und zu Agressionen im Straßenverkehr führen könnten. Diese Bedenken zerstreut Wolfgang Beus vom Innenministerium NRW: "Bei der WM haben wir keine schlechten Erfahrungen mit Autoflaggen gemacht." Der "Volksfestcharakter" habe für gute Stimmung zwischen den Fans gesorgt.

Eine Rechnung trübt die Vorfreude: Autoflaggen sollen den Fahrtwiderstand und damit auch den Benzinverbrauch erhöhen, warnt der ÖAMTC. "Je mehr es flattert und je schneller man fährt, umso mehr Sprit verbraucht man", sagt Techniker Stefan Kerbl. Auf Überlandfahrten oder auf der Autobahn würden Fahnen einen halben Liter pro 100 Kilometer mehr fressen. "Der Verbrauch steigt nicht linear, sondern überproportional."

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