Die Pflegemutter der Nation

Muttertag: Gertrud Brünner aus Düren hat in 25 Jahren 75 Kinder großgezogen.

Düren. Die Mütter der Nation heißen Inge Meysel oder Marie-Luise Marjan alias Helga Beimer aus der Lindenstraße. Dass beide Schauspielerinnen kinderlos blieben, macht da offenbar gar nichts. Eine gewisse Aura der Mütterlichkeit scheint zu reichen.

Gertrud Brünner aus Düren ist nicht prominent und Mutter der Nation wird sie auch nicht genannt. Sie ist es wohl einfach. 75Kinder in 25 Jahren hat die 56-Jährige groß gezogen.

Kein Wunder, dass das kleine Häuschen der Familie morgen am Muttertag aus allen Nähten platzen wird. Die mittlerweile erwachsenen Kinder kommen aus dem ganzen Land zu Besuch. "Kinder sind mein Leben", sagt die Pflegemutti und zeigt stolz auf die zahllosen Fotos, die ihre Familiengeschichte dokumentieren.

Angefangen hat alles wie bei einer normalen Kleinfamilie. Mit ihrem Mann Herbert, der als Papiermacher seine Brötchen verdiente, hatte die gelernte Spielwaren-Verkäuferin zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen. Gertrud Brünner hätte gerne noch weitere Kinder bekommen. "Aber es klappte leider nicht mehr", sagt sie.

Anfang der 80er Jahre fiel ihr eine Anzeige auf, die der Kreis Düren in einer Zeitung veröffentlicht hatte. "Pflegemutter gesucht." Gertrud war sofort begeistert und erklärte ihrem verdutzten Mann ohne lange zu überlegen: "Das ist was für mich, da melde ich mich."

Gleich am nächsten Tag stellte sie sich vor und bekam auf Anhieb den Job. "Eine Ausbildung brauchte ich nicht, nur ein polizeiliches Führungszeugnis. Eine Mutter, die zwei Kinder großgezogen hat, scheint wohl ganz gut geeignet zu sein", sagt Gertrud Brünner.

Schon kurze Zeit später zog der erste Pflegesohn bei ihr ein. Dirk, Kind aus einer zerrütteten Ehe, wurde bei den Brünners als neues Familienmitglied aufgenommen. Heute ist Dirk Handwerksmeister, wohnt in Mönchengladbach, ist verheiratet und selbst Vater von zwei Kindern. Er hält nach wie vor engen Kontakt zu seiner Pflegemama. "Sie alle haben ihre Mutti nicht vergessen", freut sich Gertrud Brünner.

Immer noch ist sie mit Leib und Seele Vollzeitmutter. Drei behinderte Kinder wohnen zurzeit bei ihr, was für Brünner oft einen 20-Stunden-Tag bedeutet. Julian (15) hat das Down-Syndrom, Thomas (12) ist hyperaktiv und das Nesthäkchen Shpresa (7) ist eines von nur 150 sogenannten "Vogelkindern" auf der Welt. Diese Kinder mit dem Hallermann-Streiff-Syndrom sind sehr kleinwüchsig, müssen mit einer Fehlbildung der Augen und mit einer kleinen, schnabelartig gebogenen Nase leben. "Manchmal werde ich wegen meines Aussehens gehänselt, doch Mutti und ich sind stark, wir lassen uns nichts gefallen", erzählt die kleine Shpresa selbstbewusst.

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