Die Reviere der anderen: Kohleförderung global betrachtet

Während im Ruhrgebiet ein Zeitalter zu Ende geht, widmet sich das Ruhr Museum der weltweiten Bedeutung der Kohle.

Essen. Hier dreht sich alles um die Kohle. Wer jetzt denkt, oh je, schon wieder ein Text zur Finanzkrise beziehungsweise über die Gier der Banker, der liegt falsch. Es geht vielmehr um das schwarze Gold, die Kohle also, die erst gefördert werden muss, bevor sie verheizt werden kann. Diesem bedeutenden Bodenschatz ist eine Ausstellung in Essen gewidmet.

Kaum ein Museum ist wohl besser geeignet, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, als das Ruhr Museum auf dem Gelände der Zeche Zollverein. Zwischen den immer noch rußig schwarzen Wänden der ehemaligen Kohlenwäsche sind im Schummerlicht Hunderte Exponate verteilt. Im Mittelpunkt: ein riesiger animierter Globus, der über die weltweiten Handelswege der Kohle oder über die CO2-Emissionen bei deren Verbrennung informiert.

„Kohle.Global“ geht es ums große Ganze. Nicht das Ruhrgebiet, wo die Steinkohleförderung 2018 zu Ende geht, sondern gleich die Welt wird in den Fokus gerückt. Wer denkt, dass die Förderung dieses Rohstoffs ein Auslaufmodell sei, liegt falsch. Heute wird in den Zechen von Alaska bis Patagonien jedes Jahr so viel Kohle gefördert wie in der gesamten 200-jährigen Geschichte des Ruhrgebiets. Die Vorräte reichen deutlich länger als die an Erdöl und Erdgas.

Die Schau schwelgt nicht in Nostalgie, stellt auch nicht die Bergbaugeschichte aufs Podest. Ihre Themen fragen vor allem im Hinblick auf die Auswirkungen auf Mensch und Umwelt kritisch nach der Zukunft.

Objekte, Fotos und Filme zeichnen ein vielschichtiges Bild der Gegenwart. Satelliten-Aufnahmen konfrontieren mit gewaltigen Abbaugebieten in China und Indien, wo immer noch oft Kohle in Säcken per Fahrrad transportiert wird. In Porträts von Energiehändlern, Geologen oder Gewerkschaftern wird über ein Leben in der Kohlebranche berichtet.

Und letztlich wird auch die Frage „Was bleibt?“ beantwortet — etwa eine neue Seenplatte im ehemaligen Braunkohletagebau der Lausitz oder eine verlassene Insel in Japan, auf der einst über 5000 Bergleute mit ihren Familien lebten.

Dokumente erinnern an Umsiedlungen und Zwangsenteignungen, erzählen vom Widerstand gegen neue Abbaugebiete oder informieren über die Gefahr für die Arbeiter. Allein 2011 kamen mehr als 2100 Bergleute ums Leben, drei Viertel davon in chinesischen Minen.

Die Konsequenzen der Kohleförderung — Fortschrittsversprechen wie das der Industrialisierung und Umweltzerstörung wie das Wegsprengen von Berggipfeln in den Appalachen — werden zur Diskussion gestellt, ohne dass die Ausstellung selbst Partei ergreift. „Kohle.Global“ ist eher eine Bestandsaufnahme der ökonomischen, ökologischen und sozialen Situation, die Arbeitsplätze und Wohlstand, aber auch Kinderarbeit und Gefahren für die Gesundheit umfasst. Kohle ist Energiequell und Klimakiller. Und sie bringt die zunehmende Ersetzung menschlicher durch technische Arbeitskraft mit sich: Der Hauer sitzt nun vor dem Monitor.

Neben den großen Erzählsträngen schlägt die Ausstellung anhand einzelner Objekte auch persönliche und unerwartete Kapitel auf. So entführen Seehundhandschuhe in das Leben eines Forschers auf Spitzbergen, und archaisch anmutende Werkzeuge schärfen den Blick für die Arbeitsbedingungen eines vietnamesischen Bergmanns.

Eine Wanderkarte des Kantons Zug schließlich steht als Symbol für die Steueroasen, in denen die mit der Kohle verdiente Kohle versteckt wird. Also doch!

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