Duisburg: Ein-Euro-Bier an der Hartz-IV-Ecke

Kiosk macht den Abstieg eines Duisburger Stadtteils deutlich.

Duisburg. Einst nannte sich der Kiosk "Opas billige Ecke", heute heißt der kleine Laden "Hartz-IV-Ecke". Seit mehr als 40 Jahren gibt es die Trinkhalle im südlichen Duisburger Stadtteil Hochfeld. Die Stammkunden leben alle hier ums Eck. Viele von ihnen sind arbeitslos, viele sind Rentner und für sie ist der Kiosk ein Treff geworden. Da wird geredet und geschimpft, über die Politik, den Staat und die Gesellschaft.

"Das soll ein trauriger Name sein?" fragt Klaus M. "Traurig ist alles", meint er und nimmt sein Bier. Klaus lebt teils von Hartz-IV und teils von den Fahrten, die er für eine Supermarktkette macht. Davon leben kann er gerade so, denn Familie hat der 58 Jahre alte Mann nicht. Fast täglich kommt er zur Hartz-IV-Ecke. Fast täglich kauft er sein Bier, für einen Euro.

"Seit hier in der Straße die meisten zu Hartz-IV-Empfängern geworden sind, wurde der Kiosk umbenannt", erklärt der türkische Mitarbeiter, der seinen Namen nicht nennen will. Zwischen Chips, Süßigkeiten, Tabakwaren und Bieren steht er und redet durch das kleine Fensterchen mit den Stammkunden, aber auch mit Kindern, die von der Schule gegenüber hierher kommen und sich schnell noch ein paar Kaugummis und Gummibärchen auf den Weg mitnehmen. Spaß macht ihm seine Arbeit schon, weil er lieber hier mit den Menschen redet, als in einer Fabrik zu "malochen".

Die "Hartz-IV-Ecke" auf der Brückenstraße ist ein Treff für Jedermann geworden. "Vor 30 Jahren war das hier ein gut bürgerliches Wohnviertel", sagt Paul K. "Heute ist es ein Problembezirk." Und multikulturell. Viele ausländische Familien leben hier, aus der Türkei, Polen, Bulgarien und Rumänien.

Der 60-jährige Rentner Paul wohnt zwei Häuser vom Kiosk entfernt und kommt vorwiegend zur Trinkhalle, um mit seinen "Kumpanen" zu reden. Am liebsten über Politik. Der ehemalige Kraftwagenfahrer findet Worte von Shakespeare: "Es ist etwas faul im Staate." Damit meint er den fehlenden Sozialstaat, falsche Bildungs-, Arbeitsmarkt- und Gesundheitspolitik. Unfair findet er auch, zu welchem Lohn heute die Menschen arbeiten müssen. "Es fehlt die Verhältnismäßigkeit." Seine Schwester beispielsweise verdiene als Putzfrau nur 400 Euro.

Auch Heinz-Dieter Spieß ist Stammkunde. Zum Namen der Trinkhalle sagt er nur: "Das ist ein Scherz." Dann wettert er los, darüber, dass Hartz IV das Dümmste war, was die SPD tun konnte. Politisches Versagen, da sind sich Klaus, Paul und Heinz-Dieter einig, ist der Ursprung vielen Übels. Draußen wird es wird langsam dunkel und kalt. Das macht den drei Männern aber nichts aus: "An Frischluft ist noch keiner gestorben."

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