Erzbischof im Ruhestand: Am Nachmittag durchs Veedel

Kardinal Meisner ist jetzt Privatmann. Er lebt in einer Wohnung am Kölner Dom und versucht, sich im Alltag zurechtzufinden.

Erzbischof im Ruhestand: Am Nachmittag durchs Veedel
Foto: dpa

Köln. Ein Fahrradfahrer tritt in die Bremsen und kann gerade noch vor einem älteren Herrn stoppen, der im Zentrum von Köln über die Straße geht. Ein Blick, dann ist klar: Da läuft Kardinal Meisner, aber nicht mehr in Soutane, sondern im Anorak. So sieht man ihn jetzt nachmittags oft in seinem „Veedel“ spazieren gehen. Der einstige Erzbischof von Köln ist Privatier.

Den Abschied von der Macht hat er nach eigenen Worten gut verkraftet. „Es hat mich nicht existenziell bewegt.“ Als Papst Franziskus am 28. Februar seine Emeritierung bekanntgegeben habe, sei dies für einige seiner Mitarbeiter ein emotionalerer Moment gewesen als für ihn selbst, erzählt er im Arbeitszimmer seiner neuen Wohnung. Sie liegt direkt vor dem Dom.

Seinen persönlichen Sekretär hätte er behalten können, aber das hat er abgelehnt: „Der hat Besseres zu tun als Sekretär eines alten Bischofs zu sein, der musste raus und hat jetzt eine große Gemeinde übernommen!“ Nun ist Joachim Meisner dabei, sich ein neues Leben aufzubauen — ohne Sekretär und Chauffeur. Neulich ist er zum ersten Mal seit langem wieder Bahn gefahren. Der 80-Jährige wollte zur Goldenen Hochzeit seines jüngeren Bruders nach Thüringen. Die erste Panne bestand darin, dass sein Anschlusszug in Frankfurt nicht vom gegenüberliegenden Bahnsteig abfuhr, sondern sechs steile Treppen entfernt.

„In Fulda ging’s dann gar nicht mehr weiter. Nach 40 Minuten sagten sie: ,Die letzten beiden Wagen sind kaputt. Fahrgäste bitte umsteigen.’“ Im nächsten Anschlusszug fiel die Klimaanlage aus. „Es war eine wahnsinnige Hitze.“ Am Ende kam er mit eineinhalb Stunden Verspätung an. „Die Rückfahrt war noch schlimmer. Da muss ich sagen: Die Bahn in der DDR, die war zwar primitiver, aber wenigstens pünktlich.“ Ein Kontrolleur habe ihm gesagt, er solle dafür sorgen, dass die Bahn von oben ein bisschen Hilfe bekomme. „Dem habe ich geantwortet: Den lieben Gott brauchen wir für andere Dinge, aber sicher nicht als Hilfsbremser. Strengt euch lieber selber an!“

Wenn Meisner zu Hause ist, geht er fast jeden Nachmittag im Park des Priesterseminars spazieren. Er ist ein Garten- und Naturliebhaber. Im Übrigen sei er rundum zufrieden, sagt er. Die Wahl von Rainer Maria Woelki zu seinem Nachfolger hat er mit Genugtuung aufgenommen. „Ich bin sehr dankbar, dass es diese Lösung gibt. Einmal, dass es so schnell gegangen ist und dann, dass er es geworden ist.“

Dass manche ihn weiter für den Strippenzieher im Hintergrund halten, findet er absurd. „Darüber kann ich nur lachen! Ich höre gar nicht, was im Generalvikariat vor sich geht.“ Und wenn man ihn um seinen Rat fragen würde? „Ich hätte auch keine Angst, meinen Rat zu geben, wenn ich nicht gefragt würde, sofern ich es für wichtig halten würde. Außerdem ist gerade Woelki selbstständig genug.“ Um seine konservative Linie — er selbst sagt: „katholische Linie“ — ist ihm nicht bange. „Sauberkeit in der Verkündigung der Lehre — dass es da keinen Mischmasch gibt — und die Verbindung mit Rom, darauf haben wir hier immer geachtet.“

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