Familie Roth: Die rebellischen Bestatter aus Bergisch Gladbach

David und Hanna Roth treten in die Fußstapfen ihres Vaters Fritz. Schon er setzte sich über strenge Bestattungsregeln hinweg.

Bergisch Gladbach. Wie ein verträumter Wald sehen die Gärten der Bestattung aus. An jedem Baum eine Erinnerung an den Verstorbenen, der hier liegt: Holzschmetterlinge oder kleine Figuren. Dort, wo vor kurzem noch ein Brunnen war, steht auf einer Schiefertafel der Name „Fritz Roth“. Er hat den bundesweit ersten privaten Friedhof in Bergisch Gladbach gegründet. Deutschlands bekanntester Bestatter ist im Dezember nach einer langen Krebserkrankung gestorben. Erst fünf Monate später ist er beerdigt worden.

Nun stehen Hanna und David Roth vor der Gedenktafel. „Der Mai war sein Lieblingsmonat. Und wir haben uns Zeit für den Abschied gelassen. Seine Urne stand bei unserer Mutter zu Hause“, erklärt David Roth. Erlaubt ist das nicht. „Es gibt für alles Fristen, für Erdbestattungen beispielsweise eine Acht-Tagefrist, manche Städte übertragen das auch auf Feuerbestattungen. Es gibt aber keine Begründung dafür“, erklärt er. Von einem Toten gehe keine Gesundheitsgefahr aus, niemand würde geschädigt.

„Viele Trauernde haben wegen dieser ganzen Fristen Probleme, etwa rechtzeitig alle Angehörigen zu informieren, wann die Trauerfeier stattfindet“, kritisiert Roth, der einen schwarzen Anzug und Krawatte trägt — und ganz in die Fußstapfen seines Vaters tritt. „Sie sind wie Zwillinge“, sagt Hanna, die für das Tagesgeschäft und die Mitarbeiterführung verantwortlich ist.

David ist für Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Eines haben sie beide von ihrem Vater übernommen. Auf die Regeln pfeifen sie. „Die Ruhestätte unseres Vaters ist auch grenzwertig. Früher war an der Stelle ein Brunnen, und deshalb gibt es dort dessen alte Umfassung. Wer streng ist, kann das als unerlaubt auslegen“, sagt David Roth etwas besorgt. Und dann ganz der Vater: „Ich habe noch nicht erlebt, dass aus einer Vorschrift heraus etwas Gutes entsteht.“ Rebellen seien sie. Im Visier: das Bestattungsgesetz. Die Trauernden würden zu sehr bevormundet.

Bei Fritz Roth und nun bei seinen Kindern hat der Wille der Toten und Angehörigen Vorrang, in der Zeit des Abschiednehmens und bei der Bestattung. Im Bestattungshaus Pütz-Roth gibt es Zimmer, in denen Menschen von ihren Angehörigen Abschied nehmen können — wenn sie es wünschen auch drei Monate lang.

„Wir regen sie an, sich ganz persönlich zu verabschieden, etwa für den Toten noch einmal die Lieblingsmusik zu spielen oder das Lieblingsessen zu kochen“, sagt David Roth. Meist landeten die Menschen aber doch bei traditionellen Abläufen.

„Es gibt so vieles, das Menschen nicht über den Tod wissen.“ Das Thema Sterben präsenter machen, das wollen die Geschwister. Allerdings weniger missionarisch als ihr Vater. „Ich trete mehr in den Dialog mit den Menschen“, sagt David Roth, der keine Kopie des Übervaters sein will.

Die Geschwister sind mit dem Tod aufgewachsen. „Die Firma und die Familie waren nie getrennt“, sagt Hanna Roth, die jetzt selbst ihren knapp sechs Monate alten Sohn auf dem Arm trägt. Benannt ist er nach dem Vater Fritz. „Das Bestattungshaus ist für uns nicht stigmatisiert“, sagt David Roth. Auch den Besuchern gefalle es — so sehr, dass sogar schon zwei Hochzeiten dort stattgefunden haben.

Die beiden Geschwister sind spürbar auf einer Wellenlänge und freuen sich, obwohl sie ihren Vater vermissen, das Familienunternehmen in die Zukunft zu führen, auch ohne den Patriarchen im Hintergrund.

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