Fast jedes Masthähnchen bekommt Antibiotika

Der Verdacht: Das Medikament wird illegal als Wachstumsbeschleuniger eingesetzt.

Düsseldorf. Fast jedes Masthähnchen in Nordrhein-Westfalen wird mit Antibiotika behandelt. Das hat eine Untersuchung des NRW-Verbraucherschutzministeriums ergeben, die erstmals in Deutschland ermittelt hat, wie stark das Medikament in der Geflügelzucht zum Einsatz kommt.

Insgesamt wurden 182 Betriebe und damit etwa 80 Prozent der Masthähnchen in NRW untersucht. Das Ergebnis war selbst für die Mitarbeiter des Ministeriums kaum zu glauben: 96,4 Prozent der Tiere haben Antibiotika bekommen. „Das lässt darauf schließen, dass die Medikamente nicht vereinzelt gegen Krankheiten eingesetzt werden, sondern standardmäßig“, sagte NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne).

Für ihn gibt es zwei mögliche Gründe: Entweder würden die Mittel präventiv eingesetzt, um eine Erkrankung der häufig sehr großen Bestände zu vermeiden. Oder sie würden als Wachstumsmittel missbraucht. Das ist zwar seit 2006 EU-weit verboten, wird aber kaum kontrolliert. Das Problem: Es fehlen Richtwerte, wie viel Antibiotika erlaubt ist — wo also Krankheitsbehandlung aufhört und Doping beginnt.

Die Untersuchung belegt erstmals, dass der Antibiotika-Einsatz in seiner jetzigen Form kaum geeignet ist, Krankheiten zu kurieren. So werden häufig tageweise Präparate verabreicht. Pro Tier wurden bis zu acht verschiedene Mittel nachgewiesen. „Das Ergebnis verursacht bei mir dauerhafte Übelkeit“, sagte Remmel, der nun einen bundesweiten Maßnahmenplan und eine Änderung des Arzneimittelgesetzes fordert.

Der Mensch kann durch belastetes Fleisch resistente Keime aufnehmen, die nicht durch Antibiotika behandelt werden können. Das Bundesamt für Risikobewertung sieht aber keine erhöhte Gefahr, da Fleisch auf überhöhte Arzneimittelrückstände untersucht werde, bevor es in den Handel gelange.

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