Feiertage in der Notfallambulanz

Oliver Neuhaus, Leitender Arzt am St. Josefshospital Uerdingen, über den Umgang mit Älteren und Erfahrungen in der Notfallambulanz zu Weihnachten.

Feiertage in der Notfallambulanz
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Am Mittwoch ist Heiligabend. Es ist die Zeit des Schenkens und der Familientreffen. Nicht selten endet das Ganze mit einem handfesten Krach. Wir sprachen mit Oliver Neuhaus, Leitender Arzt am St. Josefshospital Uerdingen, über seine Erfahrungen zu Weihnachten im Krankenhaus.

Herr Neuhaus, wie macht sich das Fest im Krankenhaus bemerkbar?

Oliver Neuhaus: Ältere Menschen werden gezielt einige Tage vor Weihnachten ins Krankenhaus gebracht.

Wie bitte?

Neuhaus: Sie haben mich schon richtig verstanden. Viele verreisen über die Feiertage. Oma und Opa sind dann nicht versorgt und landen bei uns, weil ein Hospital geeignet zu sein scheint.

Mit welcher Begründung sollen sie denn stationär behandelt werden?

Neuhaus: Oma sei gefallen, könne nicht mehr laufen und habe Schmerzen, heißt es dann zum Beispiel. Es handelt sich dabei nicht um Einzelfälle, sondern um einen Trend.

Welche Erfahrungen haben Sie noch gemacht?

Neuhaus: Früher wollten die Patienten vor Weihnachten möglichst nach Hause. Das ist oft nicht mehr so. Vor allem ältere Menschen, die allein sind, möchten während der Feiertage bei uns bleiben, weil sich zu Hause niemand um sie kümmert.

Da das Krankenhaus nach Fallpauschalen bezahlt wird, bringt das Verluste.

Neuhaus: Das stimmt. Aber wir haben jenseits der Akutversorgung auch eine soziale Verantwortung.

Was ist während der Feiertage in der Notfallambulanz los?

Neuhaus: Dort haben wir noch mehr Patienten als sonst, weil die Praxen geschlossen sind. Nur selten handelt es sich um echte Notfälle. Menschen, die einsam sind, kommen, weil sie Aufmerksamkeit und Zuspruch brauchen.

Von welchen Beschwerden berichten die Betroffenen?

Neuhaus: Sehr oft ist von Rücken- und Gelenkschmerzen die Rede. Das klingt glaubhaft und ist schwer zu überprüfen.

Stimmt es, dass sich über Weihnachten die Fälle von häuslicher Gewalt häufen?

Neuhaus: Ja, nach meiner Erfahrung ist das so. Ich habe an Krankenhäusern in Gelsenkirchen, Duisburg, Bottrop und Hagen gearbeitet und gesehen, dass familiäre Konflikte zu Weihnachten vermehrt in der Notfallambulanz enden. Gewalttätige Auseinandersetzungen auf der Straße nehmen aber zum Fest auch zu. Meist geht es um Schlägereien. Fast immer ist Alkohol im Spiel.

Und was sind klassische Notfälle jenseits von Streit und Gewalt?

Neuhaus: Kleinere Verbrennungen kommen oft vor, weil für viele der Umgang mit Kerzen ungewohnt ist, vor allem für Kinder. Zu den Klassikern gehören auch Bauchschmerzen. Mal hat der Gänsebraten zu gut geschmeckt, mal die Mandarinen, die ein hohes Verstopfungspotenzial bieten. Wenn es draußen glatt ist, kommen umgeknickte Knöchel, Verstauchungen und Brüche hinzu.

Sind viele Kinder unter Ihren Patienten?

Neuhaus: Ja, deren Zahl nimmt zu. Ich denke, dass die Eltern zunehmend ihre Verantwortung auf das Krankenhaus abschieben. Wenn ein Kind hinfällt und eine Schürfwunde hat, ist das kein Fall für die Notfallambulanz. Trotzdem kommen die Eltern und erwarten eine Untersuchung im Kernspintomografen. Die Anspruchshaltung hat deutlich zugenommen.

Gibt es auch schöne Erlebnisse zum Fest?

Neuhaus: Durchaus. Ehemalige Patienten kommen vor Weihnachten, um sich zu bedanken, dass sie wieder gesund sind. Sie bringen Plätzchen oder andere kleine Geschenke mit. Das freut uns schon sehr.

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