„Finger weg vom Sinterklaas!“ - Niederlande demonstrieren für ihren Nikolaus

Die Vereinten Nationen finden Hollands Nikolaus zu rassistisch. Das Land ist auf der Palme — am Samstag wird sogar für ihn demonstriert.

Amsterdam. Der Zwarte Piet (wörtlich: Schwarzer Peter) hat geschafft, wovon Popstars nur träumen: Innerhalb von 24 Stunden hat der schwarze Helfer des Nikolaus über eine Million Fans beim sozialen Netzwerk Facebook gewonnen — und das allein in den Niederlanden. Die Vereinten Nationen gehören nicht dazu. Sein traditioneller Partner Sinterklaas — der Nikolaus — sei rassistisch, meint die Vorsitzende einer UN-Expertenkommission, Verene Shepherd. Sie fordert die Abschaffung des Festes.

Die Diskussion ist nicht neu, wird dieses Jahr aber besonders erbittert geführt. „Hände weg von unserem Piet“, wüten mehr als 90 Prozent der Niederländer. Am Samstag wollen sie gegen die UN demonstrieren — eine 16-Jährige hatte dazu aufgerufen. „Das ist unsere Tradition, und davon müssen sie ihre Finger lassen.“

Das Sinterklaas-Fest ist ein unschuldiges Kinderfest — so sehen es die Niederländer. An der Hautfarbe und möglichen Assoziationen stören sie sich kaum: Piets Farbe, so sagen fast alle der rund 17 Millionen Piet-Experten, komme vom Ruß der Schornsteine. Durch die klettern die Pieten der Legende nach, um die Päckchen für die Kinder abzuliefern.

Doch das kann die Vorwürfe der Kritiker nicht entkräften. Schließlich singt das Land auch Nikolauslieder mit Texten wie „Auch wenn du schwarz bis wie Ruß, du meinst es nur gut.“ Und das Pagenkostüm erinnert an die Kleidung, mit denen Kaufleute ihre Sklaven ausstaffierten.

„Das Fest ist eine Rückkehr zur Sklaverei“, kritisierte die UN-Expertin. Auch viele schwarze Niederländer aus den früheren Kolonien Surinam und den Antillen klagen. „Er ist ein koloniales Relikt“, sagt der Amsterdamer Künstler Quinsy Gario; er reichte Klage beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ein. Schwarze würden als dumm, lustig und vor allem als Knechte dargestellt. „Das verletzt viele“, sagt Gario. Für viele Schwarze ist Piet das Symbol für die alltägliche Diskriminierung. „In den Niederlanden wird die Stimme der Schwarzen nicht gehört.“

Einige Stimmen in der derzeitigen Volkswut geben ihm recht. „Geht doch zurück in dein eigenes Land, Neger“, twitterten Sinterklaas-Fans. Ein Verein, der für arme Kinder ein Nikolausfest organisieren und fünf der 20 Pieten bunt anmalen wollte, erhielt Dutzende von Todesdrohungen. Erschrocken wurde die Idee zurückgezogen. Nun versuchen Historiker, Vereine und Kommentatoren, die Gemüter zu beruhigen. „Die Tradition war nie in Beton gegossen“, mahnt die Tageszeitung „De Volkskrant“.

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