Freispruch im Concorde-Prozess: „Die Falschen am Pranger“

Der Luftverkehrsexperte Ronald Schmid hält den Freispruch für richtig. Er sieht die Verantwortung für das Unglück bei Air France.

Paris. Dieses Urteil zum Concorde-Absturz hatte kaum jemand erwartet. Ein Berufungsgericht in Versailles hat die US-Airline Continental, zwei ihrer Mitarbeiter und einen Mitarbeiter der französischen Luftfahrtbehörde von der strafrechtlichen Verantwortung für das Unglück freigesprochen. Der Schuldspruch aus der ersten Instanz ist aufgehoben. „Dieser Freispruch ist richtig“, sagte der deutsche Luftverkehrsexperte Professor Ronald Schmid, der Anwalt der Concorde-Hinterbliebenen ist.

Die Katastrophe ereignete sich nördlich von Paris. Der Air-France-Überschalljet war am 25. Juli 2000 nur zwei Minuten nach dem Start mit 113 Menschen an Bord, darunter 97 Deutschen, abgestürzt. Alle Insassen kamen ums Leben.

In der ersten Instanz hatte eine Strafkammer des Landgerichts Pontoise die US-Fluggesellschaft Continental und zwei Mitarbeiter sowie einen Verantwortlichen der französischen Luftfahrtbehörde zu den Schuldigen an der Katastrophe erklärt. Ein Continental-Mitarbeiter wurde wegen fahrlässiger Tötung zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Begründung: Eine Continental-Maschine vom Typ DC-10 habe vor dem Concorde-Start eine Titan-Lamelle verloren. Diese lag auf der Startbahn und habe die verheerende Kettenreaktion ausgelöst: Beim Überfahren des Metallteils sei ein Concorde-Reifen geplatzt, schwere Gummiteile seien dann gegen den Kerosintank geschleudert worden und hätten Lecks geschlagen. Austretender Treibstoff sei in den heißen Abgasstrahl des Triebwerks geraten. Der Jet fing binnen Sekunden Feuer und stürzte in einen Hotelkomplex.

„Man hat von Beginn an die Falschen an den Pranger gestellt“, argumentierte Luftverkehrsexperte Schmid. Nicht Continental, sondern die Verantwortlichen von Air France hätten seiner Meinung nach auf die Anklagebank gehört. Der Deutsche wirft den Air-France-Chefs vor, im Vorfeld der Katastrophe fahrlässig gehandelt zu haben. „Es hatte bereits ähnliche Vorfälle gegeben“, sagte der Professor. Auch dabei seien Löcher in die Treibstofftanks gerissen worden. „Schon zu diesem Zeitpunkt hätten sich die Verantwortlichen bei Air France fragen müssen, ob die Concorde überhaupt noch verkehrssicher ist.“

Zu diesen Verantwortlichen zählt er den Flugbetriebsleiter der französischen Airline und die Geschäftsführung. Dass im Luftfahrtministerium niemand über diese gravierenden Mängel informiert gewesen sei, hält Schmid für nicht plausibel: „Das Problem ist schlichtweg negiert worden.“

Das Berufungsgericht hält Continental aber nach wie vor für zivilrechtlich verantwortlich. Deshalb müsse Air France eine Million Schadensersatz gezahlt werden. Die Hinterbliebenen hatten vor dem ersten Urteil von Air France Zahlungen erhalten.

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