Friedrich Stickler: Der elegante Lottokönig aus Wien

Das legale Glücksspiel in Österreich hat der 59-Jährige fest im Griff. Als Chef des Fußball-Verbandes hofft er, dass seine Mannschaft bei der EM zu überraschen weiß.

Wien. Für den Gastgeber einer kurz bevorstehenden Mega-Party mit Millionen von Besuchern und Milliarden von Zuschauern macht Friedrich Stickler einen sehr ruhigen Eindruck.

Der 59-Jährige sitzt in seinem Wiener Büro, die Beine lässig übereinander geschlagen, das Ende eines braun marmorierten Brillenbügels im Mundwinkel. "Ich mache mir keine großen Sorgen, schließlich haben wir uns lange und gut auf die Euro 2008 vorbereitet", sagt er mit vornehm-leiser Stimme im Dialekt seiner Heimat.

Der Präsident des Österreichischen Fußball-Bundes (ÖFB), einer der Hauptverantwortlichen der am 7. Juni beginnenden Fußball-Europameisterschaft, ist das lebende Klischee eines Wieners: In der Donaumetropole geboren, wächst er im 18. Bezirk auf - "am Stadtrand, schon nah an den Heurigen-Wirtschaften", wie er erzählt. Friedrich Stickler kann auf eine tschechische Urgroßmutter und einen ungarischen Großvater verweisen, also auf jede Menge k.u.k-Monarchie in den Genen.

Der stets elegant gekleidete Kommerzialrat - ein Ehrentitel für seine langjährige Arbeit an der Spitze der Österreichischen Lotterien - lässt an die alten Filme mit Hans Moser denken: "Habe die Ehre, Herr Kommerzialrat, ein Stück Sacher-Torte mit Schlagobers und ein Großer Brauner wie immer?"

Die Trennung von seiner ersten Frau, einer Journalistin, und die Heirat mit der über zehn Jahre jüngeren HNO-Ärztin Berit Schneider im vergangenen Jahr versuchte Stickler in der Bussi-Bussi-Hochburg Wien so diskret wie möglich über die Bühne zu bringen. "Privat ist eben privat", so sein Kommentar.

Doch gerade dieses doch eigentlich sympathische Image des "feinen Herrn" ist es, das in der Alpenrepublik für Spott sorgt. "Aus einem Ochsen kann man eben kein Springpferd machen", hat etwa ein österreichischer Fußballfunktionär mal in Bezug auf Sticklers angeblich nicht vorhandene Leidenschaft im Sportbetrieb gesagt. Im Sender Ö3 ging ein Comedy-Beitrag über den Äther, in dem ein "alter Stickler" kaum den Mund aufbekommt.

Das mag nicht besonders schlimm klingen für Ohren in Deutschland, wo sich Sport-Promis wie Bayern-Spieler Lukas Podolski oder Ex-Leverkusen-Manager Reiner Calmund viel heftigere Radio-Parodien gefallen lassen müssen. Doch Friedrich Stickler wirkt erbost über Angriffe dieser Art - sie scheinen ihn voll zu erwischen, statt an ihm abzuprallen.

"Ich weiß, dass mancher denkt, ich würde nie auf den Tisch hauen", sagt er. Dabei könne er mitunter ganz schön "resch" sein, soll heißen: das Gegenteil von diplomatisch-freundlich. "Wenn ich keine Führungsqualitäten hätte, wäre ich nicht Stellvertretender Generaldirektor der Österreichischen Lotterien."

Tatsächlich hat es Stickler in der Welt des lukrativen Massen-Glücksspiels weit gebracht - vor allem für jemanden, den nicht eine ehrgeizige Karriereplanung, sondern der Zufall dorthin geführt hat.

Während des Studiums der Landwirtschaft jobbt er nebenbei als Croupier, spielt auf Kreuzfahrtschiffen mit reisenden Herrschaften Roulette, Black Jack, Baccara. "Durch diesen Job war ich auf allen Sieben Weltmeeren unterwegs, vom Packeis bis nach Neu-Guinea."

Friedrich Stickler arbeitet sich hoch. Aus dem Croupier von einst wird Mitte der 80er-Jahre der Macher des Spiels "6 aus 45" - in der österreichischen Lotto-Trommel wirbeln vier Kugeln weniger als in Deutschland. Der Diplom-Ingenieur war an der Einführung dieses Systems maßgeblich beteiligt.

Über die Toto-Wetten bekommt Stickler, mittlerweile Vorstandsdirektor der Österreichischen Lotterien Gesellschaft, dann engen Kontakt zum Fußball-Geschäft. "Ich habe nie aktiv in einem Verein gespielt, als Kind nur auf der Straße und in der Schule", erzählt er.

Was nicht heißt, dass der Mann keine Ahnung von Leistungssport hat: "Ich habe in meiner Jugend viel Leichtathletik gemacht, war im Weitsprung sehr erfolgreich." Manchmal habe er so hart trainiert, dass er am nächsten Tag nicht aus dem Bett gekommen sei - "mein Körper war ein einziger Muskelkater". Auch Wasser-Ski und Marathon-Läufe gehörten zu seinen Hobbys. Nach einer Knieverletzung, die er sich vor 15Jahren zuzog, lässt er es aber ruhiger angehen: "Ich fahre in meiner Freizeit mit dem Rad und gehe in die Berge."

Freizeit hat er seit dem Jahr 2002 allerdings kaum noch. Damals fragte man ihn, ob er nicht das Amt des ÖFB-Präsidenten übernehmen wolle. Stickler stimmte zu und setzte sich, zusammen mit seinem Schweizer Kollegen Ralph Zloczower, mit Vehemenz für eine EM in den zwei Nachbarstaaten ein. "Wir haben ein sehr starkes Lobbying gemacht und sind sämtliche Entscheidungsträger abgefahren."

Unglücklicherweise kommt "das größte Sportereignis, das in Österreich jemals stattgefunden hat und in den nächsten Jahrzehnten stattfinden wird" (Stickler) zu einer Zeit, in der die Leistungen des Heim-Teams sehr zu wünschen übrig lassen - beim jüngsten Vergleich mit Deutschland gewann die DFB-Elf von Bundestrainer Jogi Löw mit 3:0 in Wien.

Diese Misere ist wohl auch der Hauptgrund für die Kritik an einem Mann, der immerhin mit dafür gesorgt hat, dass diesen Sommer die Fußball-Welt auf Österreich blickt. Doch Friedrich Stickler gibt sich optimistisch: "Ich glaube, dass wir viele überraschen werden."

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