Frühstart bei der Apfelblüte am Niederrhein

Blütenträume auf den Plantagen am Niederrhein. Der Klimawandel wirkt sich aus.

Tönisvorst. Blütenträume an Bäumen. Jetzt platzen auch die Knospen an den Apfelbäumen auf. Das Schauspiel in Pastelltönen lockt Ausflügler zu den Obstplantagen ins Grüne. In der Apfelstadt Tönisvorst am Niederrhein etwa stehen 400 000 Apfelbäume. Eine Augenweide für Radler und Spaziergänger.

Dass die Bäume jetzt schon blühen, hat einen ernsten Hintergrund. Denn die Knospen zeigen sich immer früher. „Vor 20 Jahren blühten die Apfelbäume noch Mitte Mai“, erinnert sich Obstbauer Rudolf Schumacher aus Tönisvorst inmitten seiner in Weiß und Rosa getauchten Bäume. Langjährige Beobachtungen des Landesumweltamtes zeigen, dass sich der Termin nach vorne verlagert hat. Zwischen 1951 und 2009 habe sich der Beginn der Vegetationszeit landesweit um etwa 16 Tage verfrüht: für die Fachleute ein Indikator für den Klimawandel.

Auch das Sortiment der Anbauer ändert sich. Die alte Apfelsorte Cox Orange etwa war um 1995 noch eine der Hauptsorten der rheinischen Erzeuger. Inzwischen spielt der aus dem kühlen England stammende, würzige Apfel nur noch eine Nebenrolle.

Obstbauer Schumacher betont, dass der Geschmack der Verbraucher sich ändert. Schumacher baut mit seinem Sohn Bernd (31) ein riesiges Sortiment von 40 Apfelsorten an — bekannte und dann wieder seltene Sorten, die etwa auch Allergiker essen können. Die gesamte Produktion von 43 Hektar wird in drei eigenen Läden verkauft. Da merkt man schnell, welche Sorte geht und welche nicht.

Der Seniorchef fährt mit einem Golfwagen die Reihen ab. Er deutet auf einen Baum mit weiß-rosa Blüten: „Da wissen wir auch nicht, wo der Weg hingeht.“ Es ist ein Boskoop, der klassische Kuchenapfel. Der Verkauf gehe jedes Jahr zurück, bedauert Schumacher. „Schade, es ist ein schöner, immer gesunder Baum.“

Der 63-Jährige tüftelt auch an neuen Sorten: Etwa an einem Apfel, der ein rotes Fruchtfleisch hat. Der „Rote Königsapfel“ wird bislang zu Saft, Mus oder getrockneten Ringen verarbeitet — noch ist er zu sauer, um aus der Hand gegessen zu werden.

Der Klimawandel lässt inzwischen Sorten mit besonders später Reife, wie etwa Fuji und Braeburn, gedeihen. „Diese Sorten wären in den 80er Jahren im Rheinland nicht reif geworden“, sagt Peter Muß, Sprecher des Provinzialverbandes Rheinischer Obst- und Gemüsebauer. Der Herbst in NRW habe sich um etwa 17 Tage verlängert, fand das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz heraus.

Nach der Obstblüte kehrt ein bisschen Ruhe auf der Plantage des Tönisvorsters ein. Anfang Juni werden die ersten Süßkirschen reif. „Dann geht es los.“

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