Gefangen im Eurotunnel

Weil Kondenswasser die Elektronik von vier Zügen lahmlegt, sitzen mehr als 2.000 Menschen unter dem Ärmelkanal fest.

London/ Paris. Dramatische Szenen: Frauen fallen in Ohnmacht, Kinder übergeben sich, ältere Leute ringen um Luft. Was für mehr als 2.000 Passagiere des Superschnellzugs Eurostar der Start in ein schönes Wochenende sein sollte, wurde zu einem stundenlangen Albtraum. Vier Eurostars waren nach einer Kältepanne in der Nacht zum Samstag im Tunnel unter dem Ärmelkanal zwischen Frankreich und Großbritannien liegengeblieben.

Menschen gerieten in Panik, viele mussten mit Gepäck zu Fuß durch den unheimlichen Tunnel zu einem Ersatzshuttle gehen oder bis zu 15 Stunden in den Zügen ausharren, bis sie ihren Zielbahnhof in London schließlich erreichten - übermüdet, erschöpft, hungrig und wütend. "Wir wurden wie Tiere behandelt", sagte ein Passagier. "Es gab kein Essen und die Leute lagen auf dem Boden."

Lee Godfrey saß mit seiner Familie in einem der beiden Züge, die mit Hilfe eines Shuttles evakuiert worden waren. Die Menschen mussten in den dunklen Tunnel, um zum Shuttle zu gelangen: "Wir hatten kein Licht, das war für Kinder und ältere Leute beängstigend."

Eurostar-Chef Richard Brown beschrieb den Effekt so: "Das ist, als ob Sie eine Bierflasche aus dem Kühlschrank in einen warmen Raum bringen, da entsteht viel Kondenswasser." Dies habe die Elektronik an Bord der Züge beeinträchtigt. Um ein weiteres Fiasko zu verhindern, strich das Unternehmen am Samstag und Sonntag alle Verbindungen und verdarb fast 60.000 Menschen den Start ins letzte Adventswochenende.

Auch Clare McNama war mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern tief unter dem Ärmelkanal gefangen. "Eine Frau hat in meinen Armen ihr Bewusstsein verloren, Kinder haben sich übergeben und nass gemacht. Zusammengedrängt wie eine Herde blieben sich die Passagiere selbst überlassen", schimpfte die 40-Jährige.

Auch unter den Wartenden an den Eurostar-Terminals in London und Paris war die Stimmung angespannt. Viele Passagiere erfuhren erst am Schalter von den Pannen in der Nacht. Und Eurostar-Chef Richard Brown wirkte zerknirscht. "Es tut uns sehr leid, was passiert ist."

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