Gerichtsurteil im Kastrationsfall: Sechs Jahre Haft für den Täter

Bielefeld (dpa). Ein Vater, der den 58 Jahre alten Freund seiner minderjährigen Tochter kastriert hat, erhält eine sechs Jahre lange Gefängnisstrafe und muss dem Opfer insgesamt 80 000 Euro Schmerzensgeld zahlen.

Das Landgericht verurteilte den Mann aus Bielefeld am Freitag wegen schwerer Körperverletzung.

Der Angeklagte habe etwas „schwer fassbar Grausames getan“, sagte der Vorsitzende Richter Georg Zimmermann. Der Vater hat zugegeben, den 41 Jahre älteren Liebhaber der 17-jährigen Tochter im November 2010 überfallen und ihm die Hoden abgeschnitten zu haben. Ein solches Verbrechen sei in Deutschland so noch nie zur Anklage gekommen, sagten Nebenkläger und Verteidiger.

Der 58-Jährige hatte über Monate eine sexuelle Beziehung mit der 17-Jährigen gehabt. Im Zorn hatte der Vater dem Mann schließlich ohne Betäubung die Hoden abgeschnitten, um ihn gefesselt und geknebelt zurückzulassen. Das Opfer hatte damals schwer verletzt überlebt, weil der Täter anschließend den Notarzt verständigte. Als die Retter die Tür aufbrachen, fanden sie den Mann nackt in einer großen Blutlache. Das Messer und die Hoden wurden nie gefunden.

„Das war ein brutaler Racheakt“, erklärte der Richter. „Es ist zu kurz gedacht, wenn man sagt: „Er hat das für seine Tochter getan.“ Wir glauben, er hat das vor allem für sich gemacht.“ Trotz der Entschuldigung sehe der 48-Jährige seine Schuld offenbar noch nicht vollständig ein. Das Opfer, das selbst fünf Kinder und neun Enkel hat, ist durch die Verletzung zeugungsunfähig geworden. Sein Mandant sei immer noch in therapeutischer Behandlung und müsse bis an sein Lebensende künstliches Testosteron einnehmen, sagte sein Anwalt, Harald Schlüter: „Das ist ein außergewöhnlicher Fall von Selbstjustiz.“

Ankläger Christoph Mackel hatte zuvor die besondere Brutalität und Kaltblütigkeit des angeklagten Gebäudereinigers hervorgehoben. „Die Tat diente insbesondere zur Erniedrigung des Mannes.“ Die Verteidigung sprach von einem seelischen Ausnahmezustand und hatte für eine Bewährungsstrafe plädiert. Zugleich bezweifelten die Anwälte die angebliche Liebesbeziehung zwischen dem Mädchen und dem Mann. Er war der Großvater ihrer besten Freundin, sie nannte ihn jahrelang „Opa“.

Der 58-Jährige hatte dagegen von der großen Liebe gesprochen. Die junge Frau, die den kurz vor Prozessbeginn erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung inzwischen wieder zurückgezogen hat, sagte in dem Prozess nicht aus. Der Angeklagte, der fünf Kinder hat, bat in seinem Schlusswort um Entschuldigung, er habe überreagiert. „Mir ging es nur darum, mein Kind zu schützen.“

Der 58-Jährige, der für das Mädchen nach 36 Jahren Ehe seine Frau und seine Familie verlassen hatte, hatte eine Entschädigung von 150 000 Euro verlangt. Die Verteidigung übergab als Zeichen des guten Willens am Freitag außerhalb des Gerichtssaals einen Vorschuss von 15 000 Euro in bar. Der 58-Jährige habe sich Luftschlösser gebaut und von Heirat und Babys geträumt, sagte der Richter. „Sein Weg hat sich als Sackgasse erwiesen.“

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