Glockenfachfrau: Mit Sach- und Dachverstand

Birgit Müller ist die einzige Fachfrau für Kirchenglocken im Land.

Bosen. Birgit Müller muss eines sein: schwindelfrei. Ihr Arbeitsplatz liegt in bis zu 30 Metern Höhe — und ist oft alles andere als sicher. Als Fachfrau für Glocken klettert sie über wackelige Stufen auf Kirchtürme, um beim Geläut nach dem Rechten zu sehen. „Dabei gilt: Immer genau schauen, wo ich hintrete“, sagt Müller. Die 46-Jährige aus Maxdorf bei Ludwigshafen ist deutschlandweit in einer fast reinen Männerwelt die einzige hauptberufliche Glockensachverständige — und in Rheinland-Pfalz und im Saarland für rund 5000 Kirchen zuständig.

In der katholischen Kirche „Maria Himmelfahrt“ in Bosen (Saarland) ist viel zu tun. „Glockenstuhl und Unterzug müssen dringend erneuert werden“, sagt die Frau im grünen Overall. Die drei Glocken läuten schon seit einem Jahr nicht mehr gleichzeitig — wegen Einsturzgefahr. Viele Gläubige vermissen das Geläut, daher ist jetzt Müller gefragt.

„Mein Arbeitsgebiet ist größer als das von Ministerpräsident Kurt Beck“, sagt sie. Gut 300 Türme sind es im Jahr, die sie unter die Lupe nimmt. Meist sind nicht die Glocken kaputt, sondern die Konstruktion darum. In den vorigen 60 Jahren seien die Kirchen zwar rund um den Altar gern saniert worden. „Die Kirchtürme aber wurden stiefmütterlich behandelt.“ Der Hilfe-Ruf komme oft erst, wenn nichts mehr läutet.

Müller war 2004 die erste Frau, die beim Beratungsausschuss für das Deutsche Glockenwesen ihre Ausbildung abschloss. Ganz neu in einer Männerwelt zu sein, war nicht leicht.

„Da musste ich mich durchboxen. Es wurde da schon komisch geguckt: Frauen und Technik auf dem Turm“, sagt sie. Sieben Jahre später, sei das zum Glück vorbei. „Es hat sich rumgesprochen, dass ich Ahnung habe.“

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