Großbritanien: Die Revolution in der Schulmensa

Jamie Olivers Kampf gegen Fettleibigkeit bei Kindern.

London. Er hat Millionen Menschen dazu gebracht, länger am Herd zu stehen und das auch noch zu genießen: Der Brite Jamie Oliver ist einer der populärsten Fernsehköche der Welt. Und einer, der gegen die Fettleibigkeit von Kindern kämpft. Ein Besuch im Corelli College, wo Oliver 2004 die Revolution für Schulkantinen ausgerufen hat.

Greenwich im Süden der Hauptstadt ist ein Umfeld, das selbst die Schulleitung als „große Herausforderung“ bezeichnet: Multiethnisch, hohe Kriminalität, jeder zweite Haushalt bezieht Sozialhilfe. In den Neunzigern schrieb die Ganztagsschule landesweit Schlagzeilen, weil einer ihrer Schüler von einem Teenager mit einer 30 Zentimeter langen Machete erstochen worden war. Gesündere Kantinenkost war hier nicht unbedingt das Thema, das Lehrer um den Schlaf brachte.

Billy Beswick, heute 16 Jahre, kann sich noch gut an die alte Schulspeisung erinnern: „Es gab Burger, Pommes, viel Pommes, und Turkey Twizzlers.“ Letzteres ist seit der Fernsehübertragung von Olivers Kantinenrevolution zum Schock-Symbol dafür geworden, wie England seine Kinder abspeist: Geflügelschlachtabfälle werden in Panade gewälzt, zu Spiralen gepresst und gebraten. „Wir hatten keine Wahl“, sagt Schulrektorin Trisha Jaffe. „Die Bezirksregierung hat damals die Kantinen betrieben und finanziert.“

Es musste erst ein Star mit seiner Koch-Crew und einem Fernsehteam die Kantine besetzen, bevor die Dinge sich änderten. „Er brachte dem Mensapersonal bei, dass man auch in Großküchen frische Zutaten verwenden kann, band nörgelnde Kinder in der Küche mit ein“, erzählt Lehrerin Karen Cronin. Wraps und Curries sind heute die Favoriten, es gibt Lammfrikadellen, Gemüse, Pasta Arrabiata. Für drei Gänge zahlen die Schüler 2 Euro.

Nicht überall lief Olivers Mission so glatt. In Rotherham etwa traten Eltern in den Broccoli-Boykott und echauffierten sich vor TV-Kameras, dass der Koch sie als „asozialen Abschaum“ porträtiere. Doch Oliver setzte sich durch: Die Labour-Regierung verabschiedete Richtlinien, in denen sie die Nährwerte von Schulspeisen vorschrieb. Alle staatlichen Schulkantinen mussten ihre Menüs überarbeiten. Doch unter der neuen Tory-Regierung ist die Gründung von Schulen liberalisiert worden — an Vorschriften zur Ernährung müssen sich neue Institutionen nicht mehr halten. Dabei leidet im Königreich jedes vierte Kind an Fettleibigkeit.

Die Vorteile der Essensrevolution haben die Lehrer im Corelli College schnell gespürt: „Kohlenhydrate, der ganze Zucker — früher sind hier alle nach der Mittagspause wie verrückt herumgesprungen“, sagt die Rektorin. „Heute geht es wesentlich ausgeglichener zu.“ Untersuchungen bestätigen ihren Eindruck. Die Universität Oxford hat festgestellt, dass Schüler in Klassenarbeiten um fünf Prozent besser abschneiden, nachdem Junk Food verboten wurde.

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