Immer mehr Kinder leben in Slums - UN will Rechte stärken

Köln/Genf (dpa) - Immer mehr Kinder leben angesichts des weltweit rasanten Wachstums der Metropolen im Elend der Slums. Die Hälfte aller Kinder und Jugendlichen - rund eine Milliarde - wächst heute in Städten auf.

Jedes dritte dieser Kinder wird in einem Slum groß, oft unterernährt, unter furchtbaren hygienischen Bedingungen, meist ohne Zugang zu Schulen und Gesundheitsversorgung. Das berichtet Unicef im Jahresreport „Zur Situation der Kinder in der Welt 2012“.

Um ihre Lage zu verbessern, sollen Kinder ihre Rechte künftig bei den Vereinten Nationen einklagen können. Deutschland und mehr als ein Dutzend weiterer Staaten unterzeichneten am Dienstag ein entsprechendes Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention in Genf. Damit können die Vereinten Nationen in besonders schweren Fällen auch Untersuchungsverfahren gegen Staaten einleiten. Hilfsorganisationen wie Terre des Hommes und World Vision sprachen von einem „Meilenstein für den Schutz der Kinderrechte“.

Wie dringend viele auf Hilfe angewiesen sind, zeigt der jüngste Unicef-Report zur Situation der Kinder in der Welt. Danach werden in den Metropolen der Entwicklungs- und Schwellenländer 30 bis 50 Prozent der Neugeborenen nicht einmal registriert - existieren offiziell also gar nicht.

Einige Millionen der Kinder und Jugendlichen sind in den Slums der großen Metropolen ganz auf sich allein gestellt. Sie arbeiten als Lumpensammler oder Schuhputzer auf der Straße, schließen sich aus Angst, Not und Unsicherheit Straßengangs an oder werden missbraucht oder verkauft. „Städte werden für immer mehr Kinder zu Orten der Armut“, betonte der Geschäftsführer von Unicef Deutschland, Christian Schneider.

Die Lebensbedingungen in vielen Elendsvierteln sind katastrophal. Obwohl es in den Städten mehr Schulen als auf dem Land gibt, sind die Bildungsstätten für die Ärmsten oft unerreichbar. In den Slums ist die Kindersterblichkeit höher als in manchen armen ländlichen Gebieten. Der Anteil der unter- und fehlernährten Kinder in den Städten wächst. Unhygienische und beengte Verhältnisse führen zu Epidemien, Tuberkulose, Durchfall oder Lungenentzündung. Medizinische Versorgung gibt es meist nur für wohlhabendere Städter.

Das Kinderhilfswerk Terre des Hommes forderte, die Kinderrechte aktiv zu stärken. „Aus der Erfahrung unserer Programmarbeit für benachteiligte Kinder in Metropolen wie Manila, Delhi, Johannesburg und Bogotá können wir die skandalösen Lebensrisiken armer Kinder bestätigen“, erklärte Geschäftsführerin Danuta Sacher. Wichtig sei es, Kinder aktiv einzubeziehen. Sie müssten bei staatlichen Stellen ihre Rechte etwa auf Bildung einfordern können.

Bei den Vereinten Nationen soll dies bald möglich sein - indem Kindern ein Beschwerderecht eingeräumt wird. Neben Deutschland unterschrieben laut Bundesfamilienministerium 17 weitere Staaten das entsprechende Zusatzprotokoll zur UN-Kinderrechtskonvention. „Dieses Protokoll ist ein großer Schritt vorwärts beim internationalen Schutz der Rechte der Kinder“, sagte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) nach der Unterzeichnung in Genf.

Das neue Klagerecht tritt in Kraft, wenn das Protokoll in mindestens zehn Ländern ratifiziert wurde. In Deutschland solle das so schnell wie möglich geschehen, hieß es im Ministerium.

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