Kirche lässt Pfarrer hängen

Sparmassnahme: Rick van den Berg ist Deutschlands erster arbeitsloser Pfarrer. Der Niederländer lebt von Spenden. Die Gemeinde will ihren Seelsorger unbedingt behalten.

Düren. "Ich glaube, ich bin Deutschlands erster und einziger arbeitsloser Pfarrer" erklärt der 47-jährige Rick van den Berg mit trauriger Stimme unserer Zeitung. Der katholische Pastor der Gemeinde Niederzier war sieben Jahre lang in dem kleinen Dorf am Rande des Braunkohle-Tagebaus tätig, er betreute die Gemeinden St. Cäcilia Niederzier, St. Martin Oberzier und St. Antonius Hambach.

Das Bistum in Aachen hatte den Holländer aus Roermond seinerzeit nach Deutschland geholt, ihm aber den Vertrag zum Ende vergangenen Jahres gekündigt, obwohl die 10000 Gemeindemitglieder um ihn gekämpft haben wie die Löwen. Als die Versetzung des Priesters bekannt geworden war, hatte es Fackelzüge und Menschenketten gegeben, um das Bistum umzustimmen.

Die Begründung von Bischof Heinrich Mussinghoff, der vor einigen Wochen mit Pfiffen und Buh-Rufen von den Gemeindemitgliedern aus Niederzier empfangen wurde: "Sie werden in Holland im Bistum Roermond gebraucht, dort herrscht großer Priestermangel." Angeblich sollte er in Slenaken/Mechelen zum 1.Februar eine neue Stelle bekommen. "Ich habe vom Bistum in Roermond nichts mehr gehört. So groß kann der Priestermangel nicht sein", sagt der Pastor. Van den Berg blickt in eine ungewisse Zukunft: "Ich weiß nicht, wo ich hin soll. Ich brauche auch dringend eine Ernennungsurkunde, die bis heute nicht bei mir eingetroffen ist. Ich weiß auch nicht, wo ich wohnen soll. Soll ich vielleicht auf der Straße schlafen...?"

Der arbeitslose Pastor bekommt vom Bistum Aachen kein Gehalt mehr, aus Holland auch nicht. "Liebe Menschen aus der Gemeinde bringen mir Geldspenden und etwas zu essen, dafür bin ich dankbar, aber so kann es doch nicht weiter gehen", so der Pastor. Noch darf er im Pfarrheim wohnen - nur wie lange? Er ist verzweifelt. "Ich kann nur hoffen, dass der liebe Gott mir bald hilft."

Dieter Ludwig vom Pfarrgemeinderat in Niederzier: "Wir hier in der Gemeinde wollten unseren Pfarrer behalten, weil er alte und junge Menschen gleichermaßen begeistern konnte. Rick war hier glücklich, er wollte bei uns bleiben. Warum hat das Bistum in Aachen ihn nicht fest angestellt? Die Kirche predigt doch immer Nächstenliebe und Menschlichkeit, was mit unserem Pastor derzeit passiert, ist genau das Gegenteil. Hier sind alle unendlich traurig."

In einem bewegenden Dankgottesdienst verabschiedete sich der Pastor von seinen Schäfchen. Rick van den Berg appellierte an seine drei Gemeinden, der Kirche nicht den Rücken zu kehren. Vielmehr verglich er die Kirche mit einer Mutter, die man niemals im Stich lasse.

Seit rund zwei Monaten hat er nichts mehr von seinen Vorgesetzten gehört. Das letzte Signal aus Roermond war eine Freigabe des dortigen Bischofs. Die gelte nicht nur für Niederzier, sondern auch für Köln, wo er sich zwischenzeitlich beworben habe, sagte der Pastor den "Aachener Nachrichten." Für das Bistum Aachen scheint auch die Freigabe nicht ausreichend zu sein. Diese sei seitens der Niederländer mit einer sofortigen Inkardination - also mit einer Festanstellung verbunden. Das sei praktisch unmöglich, heißt es.

Fakten Das Bistum Aachen mit einer Fläche von rund 3938 Quadratkilometern liegt im Westen von Deutschland und erstreckt sich von Mechernich in der Nordeifel bis nach Krefeld am Niederrhein. Die rund 1,2Millionen Katholiken (Gesamtbevölkerung zwei Millionen) leben in 540 Pfarrgemeinden.

Geschichte Das Bistum wurde 1802 auf Betreiben Napoleons errichtet, die Wiedererrichtung erfolgte 1930.

Priestermangel Derzeit gibt es 430Priester im Bistum Aachen, davon sind rund 350 noch im aktiven Dienst. Im Jahre 2012 werden es voraussichtlich noch 270 Aktive sein. Der Altersschnitt bei den Pfarrern liegt bei 58 Jahren.

Sparmassnahmen Das Bistum Aachen hatte 2003 einen Prozess der wirtschaftlichen Sanierung eingeleitet mit dem Ziel, die Ausgaben um 65 Millionen Euro jährlich zu reduzieren und die Diözese in den wichtigsten kirchlichen Handlungsfeldern zukunftsfähig zu gestalten. Der konsequente Sparkurs soll auch weiter eingehalten werden. Man rechnet damit, dass die rückläufige Zahl der Katholiken und anstehende Steuerreformen ab 2009 noch weitere Sparmaßnahmen erforderlich machen.

Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff wurde am 29. Oktober 1940 in Osterwick geboren. Am 29. Juni 1968 wurde er zum Priester geweiht, Bischof von Aachen ist er seit dem 12. Dezember 1994.

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