Kölsches Trainingslager für die jecken Sänger

Seit 2001 treffen sich Narren in Köln zur bunten Kneipentour „Loss mer singe“. Mittlerweile machen sie sogar in Berlin Station.

Köln. Es ist ein ziemlich buntes Grüppchen, das sich schon lange vor der Einlasszeit vor dem Brauhaus „Gaffel am Dom“ unweit des Kölner Hauptbahnhofs trifft. Während manche dank bunter Mützen, Federboas und Ringel-shirts schon von weitem als Jecke erkennbar sind, kommen andere ganz normal in Alltagskleidung zur „Loss-mer-singe“-Kneipentour. Ein Ziel ist allen gemeinsam: textsicher in den bevorstehenden Straßenkarneval zu gehen — und zwar auch bei den neuen Liedern der Session.

Was im kleinen Kreis an einem Küchentisch in Köln-Nippes begann, ist längst zum Kult geworden. „Damals habe ich mich mit alten Freunden vom Niederrhein zu Hause getroffen, um die sangestechnisch fit für die Session zu machen. Später sind wir dann mit 30 Leuten in unsere Stammkneipe zum Singen gezogen“, erinnert sich Organisator Georg Hinz an die Anfänge. Mittlerweile zieht die Tour durch 30 Kneipen in und um Köln, auch ein Gastspiel in der Kulturbrauerei im Berliner Szeneviertel Prenzlauer Berg gehört inzwischen dazu.

Derweil läuft im Brauhaus das Warm Up für die gut 600 sangesfreudigen Gäste. Bereits zum achten Mal ist Jochen Schumacher bei der Tour dabei: „Alles ist total stressfrei, man trifft viele Bekannte und hat ein schönes Gemeinschaftserlebnis“, sagt der Kölner.

Extra aus Düsseldorf angereist ist Elmar Wolwitz, der furchtlos seine Fortuna-Fahne schwenkt. „Ich bin über Bekannte zu Loss mer singe gekommen, und der Karneval unterscheidet sich in beiden Städten ja nicht so großartig“, sagt der 48-Jährige. Zu seinen Favoriten in diesem Jahr zählen die Vorjahressieger von Kassalla, aber auch Brings und Stefan Raab mit den Höhnern.

„Wir haben für die laufende Tour aus insgesamt 350 Liedern 20 Stücke ausgewählt, die wir nun gemeinsam singen werden. An jedem Abend werden die sechs Besten gekürt“, erklärt Hinz das Prozedere. Im Brauhaus ist es derweil richtig kuschelig eng geworden. Nur mit Mühe kommen die Köbesse durch die Menschenmenge.

Der Ablauf hat inzwischen Kultcharakter: Dazu gehört das Verteilen der Mitsing-Zettel in Putzeimern sowie das „Loss-mer-singe“-Lied am Anfang. Zu den 20 Stücken im Wettbewerb gibt es vorab immer eine kleine Geschichte von Georg Hinz. Unter den Kandidaten sind Altmeister wie die Bläck Fööss genauso wie junge Bands — von Kassalla über Cat Ballou bis zu Querbeat. Aber auch so manche weniger bekannte Band findet sich hier wieder.

„Viele hören heute Abend den Song zum ersten Mal. Aber schon nach wenigen Minuten hat man den Eindruck, ihn schon ewig zu können“, beschreibt Hinz das Phänomen seiner Tour. Unterstützt werden seine Sänger mit der Musik von der CD, aber auch ohne diese funktioniert das Singen in der Kneipe, wie das Publikum schnell unter Beweis stellt.

„Das ist großartig, dieses Konzert gefällt uns sehr gut“, sagt einer von zwei japanischen Geschäftsleuten, die eher durch Zufall ins singende Brauhaus geraten sind und nun staunend auf die Massen blicken.

Bei denen ist nach drei Stunden der Abend zu Ende. Und eines ist schnell klar geworden: Cat Ballou, Kassalla, aber auch Stefan Raab und die Höhner gehören zu den Favoriten der Session.

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