Massensterben: Das Schweigen der Bienen

Pestizide und Parasiten bedrohen die Insekten in ihrer Existenz. Die Todesrate liegt in diesem Jahr dreimal so hoch wie normalerweise.

Düsseldorf. Eigentlich kann Uwe Plath nicht viel aus der Ruhe bringen. Mit bloßen Händen und ohne Maske greift der 65-Jährige in einen seiner Bienenstöcke, um die Waben zu kontrollieren.

Seit 20 Jahren ist er Imker, hat eine Menge Routine und gute wie schlechte Jahre der Honigbienen-Zucht erlebt.

Doch seit einigen Monaten wächst Plaths Sorge und Ratlosigkeit. Von seinen 30 Bienenvölkern hat die Hälfte den Winter nicht überstanden. Die Dimensionen sind gewaltig: Denn 40000 bis 60000 Bienen ist ein Volk im Hochsommer stark.

In seinem Düsseldorfer Imkerverein Apedea mellifica liegt die Todesrate bei 30 Prozent und damit im bundesweiten Schnitt, der in diesem Jahr dreimal so hoch ist wie normalerweise. "Das ist Wahnsinn. Seit zwei bis drei Jahren steigen die Verluste ins Extrem."

Woran das liegt, ist Plath ein Rätsel. Die Varroa-Milbe sei wohl nach wie vor eine wesentliche Ursache. Seit etwa 25 Jahren wütet sie in Deutschlands Bienenstöcken.

"Aber die haben wir bislang immer noch einigermaßen in den Griff bekommen”, sagt er und bringt das Mysterium mit einer mathematischen Gleichung auf den Punkt: "Der Grund ist die Milbe plus Faktor X.”

Was sich hinter "X” verbirgt, ist bislang unergründet. Plath kann sich beispielsweise eine unbekannte Viruserkrankung vorstellen. Das will auch Peter Rosenkranz, Leiter der Landesanstalt für Bienenkunde an der Universität Hohenheim, nicht ausschließen. Wie Plath ist er überzeugt, dass es nicht nur eine, sondern eine ganze Reihe von Ursachen für den Völkerkollaps gibt.

Da ist die hyperhygienische Forstwirtschaft, die keinen hohlen Baumstumpf in den Wäldern zurücklässt, in dem sich einst die wilden Schwärme angesiedelt haben. Da sind Parasiten aus aller Welt, die durch die Verschickung der Tiere rund um den Erdball die Mitgift einer globalisierten Bienenzucht sind.

Und da ist die durchrationalisierte Landwirtschaft, die für Bienen giftige Pestizide verwendet, auf Monokulturen setzt und nur wenige Hecken und Ackerstreifen als Lebensraum und Nahrungsgrundlage zurückgelassen hat. "Wir haben mittlerweile die perverse Situation, dass die Imkerei auf dem Land abnimmt und in den Städten zu”, sagt Rosenkranz.

So ergibt sich ein Teufelskreis: Je schwächer die Bienen werden und je mehr Völker sterben, desto teurer wird die Zucht. Und das können sich die rund 80000 deutschen Imker, für die die Bienenhaltung zu 90 Prozent ein Hobby ist, immer weniger leisten.

Doch es droht nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Katastrophe. 80 Prozent aller Nutzpflanzen sind auf Bestäubung angewiesen. Experten schätzen den finanziell bemessenen Wert der Biene in Deutschland auf rund vier Milliarden Euro.

Was ist also zu tun? Rosenkranz fordert, drei Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen der Natur zu überlassen. "Das heißt aber auch: drei Prozent weniger Gewinn. Da muss auch der Konsument umdenken, der immer nur alles möglichst billig kaufen will.”

Einen anderen Weg, um die Zukunft des drittwichtigsten Nutztiers nach Rind und Schwein ein wenig sicherer zu machen, beschreitet Hobbyimker Plath in seinem 30 Mitglieder starken Verein.

Er vermietet Bienenvölker. Wer Interesse hat, kann für 30 Euro pro Jahr seine Bienen unter fachkundiger Anleitung pflegen und darf den geernteten Honig behalten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort