Moderne Geschichten verlieren schnell ihren Reiz

Düsseldorf. Märchen begeistern große wie kleine Menschen. Warum das so ist, erklärt der Märchen-Forscher Hans-Jörg Uther, wissenschaftlicher Beirat der Brüder-Grimm-Gesellschaft in Kassel, im Gespräch.

Herr Uther, was fasziniert die Menschen an Märchen?
Hans-Jörg Uther:
Märchen sind kurze und einprägsame Geschichten. Es gibt zwei Aspekte: Zum einen Wundergeschichten, das ist ein Ausflug in die Fantasie. Oder Geschichten, die den Alltag abbilden: Patchworkfamilien, Trennung und Wiedervereinigung, Auszug in die Welt, Probleme zwischen Alt und Jung.

Gibt es auch moderne Märchen?
Uther:
Moderne Märchen gibt es immer wieder. Nicht in ihrer Grundform, aber zum Beispiel in einem Roman. Alles, was in Richtung Fantasy geht, oder Mittelalter-Schauplätze, Zauber, Luftreisen. Allerdings verlieren die meisten modernen Geschichten schnell ihren Reiz, weil sie zu sehr zeitgebunden sind.

Sind Märchen also nicht mehr so bedeutsam wie früher?
Uther:
Die klassischen Märchen haben ihren Stellenwert gehalten, sie wachsen mit den neuen Medien mit und sind immer wieder präsent. Bei der Beschäftigung mit Märchen gab es Berge und Täler. In den 1970er Jahren war man der Meinung, Märchen sind grausam und gehören nicht in die moderne Zeit. Heute, mit den Grimm-Jubiläen, haben wir auf einmal eine sehr positive Bewertung von Märchen. Das Auf und Ab kommt auch in der Sprache zum Ausdruck. „Märchen“ kann etwas Unglaubliches bedeuten — oder etwas Unglaubwürdiges.

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