Nach Schulmassaker in Newton Rätsel über Motiv

Newtown (dpa) - Alle Opfer des Amoklaufs an einer US-Grundschule in Newtown sind identifiziert - die Hintergründe der Bluttat mit 27 Toten bleiben zunächst aber weiter im Dunkeln. Aufschluss erhoffte sich die Polizei von Unterlagen, die im Wohnhaus des Todesschützen sichergestellt wurden.

Die Durchsuchung habe „gute Beweise“ erbracht, sagte der Sprecher der Polizei im Bundesstaat Connecticut, Paul Vance. Er teilte weiter mit, dass sich der 20-jährige Schütze gewaltsam Zutritt zur Schule verschaffte, die erst vor kurzem ein neues Sicherheitssystem erhalten haben soll.

Die Bluttat löste weltweit Bestürzung aus und entfachte zugleich eine neue Debatte über das Waffenrecht in den USA. Präsident Barack Obama forderte „bedeutsames Handeln, um weitere Tragödien wie diese zu verhindern“. Obama werde vermutlich im Laufe der nächsten Tage in die Stadt kommen. Er wolle erst den Familien der Gemeinde Raum „zum privaten Trauern“ geben, sagte Senator Richard Blumenthal aus Connecticut dem Sender CNN.

Der Täter hatte in der Kleinstadt Newtown an der Sandy Hook Elementary School nördlich von New York 20 Kinder zwischen fünf und zehn Jahren sowie sechs Erwachsene erschossen, darunter die Rektorin und eine Psychologin. Anschließend nahm er sich das Leben. Seine Mutter wurde ermordet in einer nahe gelegenen Wohnung gefunden. Die drei halbautomatischen Waffen, die in der Schule in der Nähe der Leiche des Schützen entdeckt wurden, waren auf ihren Namen registriert.

Polizeisprecher Vance sagte zum Täter: „Er hat seinen Eintritt in die Schule erzwungen.“ Nähere Angaben machte er nicht. US-Medien hatten zuvor berichtet, dass die Grundschule erst in diesem Jahr ein neues Sicherheitssystem eingerichtet hat: Besucher müssen klingeln und erscheinen dann auf einer Sicherheitskamera. Erst wenn jemand innen auf den Türöffner drückt, kann man eintreten.

Der Täter soll Berichten von Nachbarn und Bekannten zufolge in Newtown aufgewachsen sein. Er wird als klug, sehr scheu und introvertiert beschrieben. In jungen Jahren sei er ein Einzelgänger gewesen, erzählte eine frühere Klassenkameradin bei CNN. Nachbarn beschrieben ihn nach Berichten des Senders als merkwürdig. Bei dem Amoklauf soll er ganz in Schwarz gekleidet gewesen sein und eine kugelsichere Weste getragen haben. Er habe sein Auto direkt vor der Eingangstür geparkt, berichtete der Nachrichtensender CNN.

Widersprüchliche Meldungen gab es über die Mutter des Amokläufers. Viele US-Medien hatten zunächst berichtet, sie sei Lehrerin an der Grundschule gewesen. Daran hatten sich Spekulationen geknüpft, dass es einen Zusammenhang zwischen der Tätigkeit der Mutter und dem Motiv des Schützen gebe. Dem Sender ABC zufolge steht sie nach Angaben des Schulbezirks Newtown nicht auf der Liste des Lehrpersonals. Das schließe aber nicht aus, dass sie Ersatzlehrerin gewesen sei.

Unklar blieb zunächst auch, wann genau sie getötet wurde. Auch war noch nicht offiziell geklärt, ob der Amokläufer ebenfalls für ihren Tod verantwortlich ist. Der junge Mann soll bei seiner geschiedenen Mutter gewohnt haben, hieß es in Medienberichten. Demnach wurden auch der in New Jersey lebende Bruder und der Vater befragt.

Die Leichen der Opfer wurden inzwischen aus der Schule gebracht. Sobald ihre Untersuchung abgeschlossen sei, würden Namen und Alter veröffentlicht, sagte die Polizei. Die Angehörigen der Opfer hätten darum gebeten, dass ihre Privatsphäre respektiert werde.

Das Verbrechen geschah kurz nach Schulbeginn am Freitag. Nach Berichten von Augenzeugen gab der Amokläufer bis zu 100 Schüsse ab. „Ich habe Kugeln gesehen, die an mir vorbeigeflogen sind, und dann hat mich eine Lehrerin geschnappt und in einen Klassenraum gezogen“, beschrieb ein Junge die Vorgänge in der Schule. Seine Mutter hielt ihn im Arm. „Die Lehrerin hat sein Leben gerettet, da bin ich sicher“, sagte sie und weinte. „Mein Kind will am Montag nicht wieder in die Schule gehen“, sagte ein Vater, dessen achtjährige Tochter überlebt hat. „Sie fragt mich ständig, wann das wieder passiert.“

Amerika steht nach der Gräueltat unter Schock, Politiker suchten verzweifelt nach Worten. Obama bekräftigte in seiner Rundfunkansprache, derartige Tragödien passierten zu häufig in den USA. Seien es die Blutbäder wie jetzt in der Grundschule in Newtown oder Schießereien an zahllosen Straßenecken in Städten wie Chicago oder Philadelphia: „Alle diese Orte könnten unser eigener sein“, sagte der Präsident.

Der Gouverneur des Bundesstaates Connecticut, Dan Malloy, sagte: „Das Böse hat unsere Gemeinde besucht. Es ist eine schreckliche Zeit.“ An allen öffentlichen Gebäuden in den USA wurden die Flaggen auf halbmast gesenkt. Vor der Einfahrt der Grundschule in Newtown lagen Dutzende Blumensträuße und Karten. Bereits am Freitagabend hatten sich mehrere hundert Menschen in einer Kirche zu einer Andacht versammelt.

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte ihr Mitgefühl. „Die Nachrichten aus Newtown machen mich tieftraurig. Wieder einmal stehen wir voller Entsetzen vor einer Tat, die wir nicht begreifen können“, erklärte Merkel in einer am Samstag verbreiteten Mitteilung. Bundespräsident Joachim Gauck sprach in einem Brief an Präsident Obama seine Anteilnahme aus. Papst Benedikt XVI. bezeichnete den Amoklauf als „sinnlose Tragödie“.

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