Organspende: Eine Chance für das Leben

Im Zweifelsfall entscheiden Angehörige über die Organspende eines Verstorbenen – eine schwierige Situation, auch für Ärzte, wie man am Klinikum Krefeld weiß.

Krefeld. Es ist Alltag für Ärzte und Pflegepersonal an deutschen Krankenhäusern, dass mit einer Organspende eines hirntoten Patienten das Leben eines anderen Menschen gerettet werden kann. Die Angehörigen des Toten befinden sich dagegen in einer Ausnahmesituation: Im Zweifelsfall entscheiden sie, ob Organe zur Transplantation entnommen werden.

Am Helios Klinikum in Krefeld wird dieser Konflikt vorbildlich gelöst, findet die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Sie zeichnet das Krankenhaus in diesem Jahr bereits zum dritten Mal für eine besonders gute Integration des Themas in den Klinikalltag aus.

Professor Roland Besser ist am Klinikum der Koordinator für den Bereich Organspende. Der Chefarzt für Neurologie befasst sich bereits seit seiner Zeit als Oberarzt an der Mainzer Universitätsklinik mit dem Thema und setzte sein Engagement fort, als er 1994 nach Krefeld wechselte.

Von der DSO wurde die Klinik ausgezeichnet, weil sie zu einem Anstieg der Organspender beitrug, berichtet er. 2007 lag das Klinikum mit 18 Spendern landesweit auf Platz eins, bundesweit gehört es nach Angaben von Besser zu den fünf Kliniken mit den meisten Organspenden.

Per Gesetz sind dabei grundsätzlich alle deutschen Krankenhäuser verpflichtet, potenzielle Organspender an die DSO zu melden. Im Klinikum gelang es im vergangenen Jahr, bei 23 möglichen Spendern 18Einwilligungen zur Organentnahme zu erhalten. Zum Vergleich: An einer anderen NRW-Klinik nahmen die Ärzte Kontakt zu Angehörigen von 30 verstorbenen Patienten auf, es wurden aber nur acht Organspenden realisiert.

Grund für den Erfolg in Krefeld ist nach Ansicht von Professor Besser das Engagement der Beteiligten und die Organisation. "Wir haben das Bewusstsein entwickelt, dass mit dem Tod eines Patienten nicht die medizinische Verantwortung aufhört", erklärt er. Und es sei eine Kultur geschaffen worden, dass dabei alle an einem Strang ziehen, Ärzte wie Pflegepersonal.

Entscheidend ist dann letztlich das Gespräch mit den Angehörigen. Denn nur in den wenigsten Fällen ist ein klarer Wille der Patienten bekannt, nach dem Tod Organe spenden zu wollen. Und selbst wenn ein Patient einen Organspendeausweis hat: Wird dieser nicht bei ihm gefunden, müssen die Angehörigen entscheiden - denn die Ausweise werden nicht in einem zentralen Register verzeichnet.

"Wir wissen, dass die Angehörigen in einer schwierigen Situation sind", betont Professor Besser. Erschwert werde diese Situation zusätzlich dadurch, dass der Großteil der potenziellen Organspender einen sehr kurzen Krankheitsverlauf hatte: Es sind zumeist Unfallopfer oder Menschen, die einen schweren Schlaganfall erlitten haben - Patienten, deren Organe nicht durch schwere Krankheiten angegriffen sind und bei denen der Hirntod festgestellt wurde. "Die Verlustsituation ist für das Umfeld in solchen Fällen viel schwieriger, als wenn ein Mensch schon länger erkrankt ist."

Wichtig sei dann ein einfühlsames Gespräch mit den Angehörigen, um den mutmaßlichen Willen der Patienten herauszufinden. Dieses Gespräch führe am Klinikum in der Regel der behandelnde Oberarzt, der bereits ein Vertrauensverhältnis zu den Angehörigen aufgebaut habe. Aber auch alle anderen Mitarbeiter hätten mittlerweile eine hohe Kompetenz bei diesem Thema, nicht zuletzt durch entsprechende Schulungen.

Besonders schwer sei es für einige Angehörige, den Hirntod eines geliebten Menschen zu akzeptieren, während doch das Herz noch schlage und die Beatmungsmaschine arbeite. Besser: "Wir müssen auch akzeptieren, wenn Menschen das Konzept des Hirntods nicht anerkennen wollen und die Entnahme von Organen verweigern."

Auch hält er wenig von gesetzlichem Zwang zur Organspende oder davon, Angehörige "mit der Mitleidstour" unter Druck zu setzen, ihnen ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie einer Spende nicht zustimmen. "Wir erklären den Menschen nur die Fakten und versuchen sie davon zu überzeugen, dass eine Organspende des Verstorbenen eine lebensrettende Chance für einen anderen schwerkranken Menschen ist."

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