Platzverbot für umstrittene Zidane-Statue?

Ein Bronzedenkmal in Paris zeigt den berühmten Kopfstoß vom WM-Finale 2006 — und erbost so Fußballfunktionäre.

Paris. Die berühmte Szene ist ebenso in die Fußballgeschichte eingegangen wie das Wembley-Tor und Maradonas "Hand Gottes". Gemeint ist der brutale Kopfstoß des französischen Kapitäns Zinedine Zidane im WM-Finale 2006 gegen den Italiener Marco Materazzi. Ein hässliches Foul, das das bis dahin so glanzvolle Bild des Weltfußballballers von einer Sekunde auf die andere verfinsterte.

Jetzt haben sie die dramatische Szene nach- und in Gestalt einer kolossalen Bronzestatue vor das Pariser Centre Pompidou gestellt. Ein Kunstwerk, das französische Fußballfunktionäre in Rage bringt. Sie verlangen, dass es buchstäblich vom Platz fliegt.

Nicht weniger als dreißig empörte Verbandspräsidenten haben sich zusammengetan und einen Offenen Brief verfasst. Selbst für den obersten Fußballfunktionär Noel Le Graet, den Präsidenten des Dachverbandes "Fédération Francaise de Football", hört mit Zidanes Zerrbild der Spaß auf. Die Skulptur "Coup de Boule" ("Kopfstoß"), ein Werk des Algeriers Adel Abdessemed, gebe "ein negatives Bild des Fußballs" wider, schimpfen die Funktionäre.

Philip Guyot de Caila, ein Verbandsvorsitzender in Burgund, sieht in der Bronzestatue einen billigen "Marketing-Coup" auf Kosten des Fußballs und Zinedine Zidanes. Im Interview mit der Sport-Tageszeitung "L'Equipe" fügt er vorwurfsvoll hinzu: "Hat man das Recht, jede Art von Gewalt zu glorifizieren?".

Seit genau einem Monat steht die fünf Meter hohe Statue auf dem Vorplatz des Centre Pompidou, das neben Eiffelturm und Louvre zu den meistbesuchten Orten der französischen Hauptstadt gehört. Sie gibt exakt jene Schlüsselszene wieder, die sich in der 110. Finalminute zugetragen hat. Beim Stand von 1:1 platzte Zinedine Zidane, offenbar genervt von den unentwegten Beleidigungen gegen seine Schwester, der Kragen. Nur zehn Minuten vor dem Ende des Spiels und seiner sensationellen Fußballerkarriere rammte "Zizou", wie die Franzosen ihre Lichtgestalt liebevoll nennen, seinen kahlen Kopf gegen die Brust Marco Materazzis. Die Statue zeigt das schmerzverzerrte Gesicht des Italieners und die geballte Wutfaust des Franzosen.

Ein Dokument voller Dramatik und Theatralik. Die verhängnisvollen Folgen des Stoßes sind bekannt: Zidane flog vom Platz, die "Equipe Tricolore" kam aus dem Tritt und verließ mit hängenden Verliererköpfen gedemütigt das Olympiastadion. Berlin adieu: Alptraum statt Sommermärchen.

Eine "Ode an die Niederlage" nennt Philippe-Alain Michaud, der Kommissar der Ausstellung, das in Fußballerkreisen so verhasste Kunstwerk. Eines, das auf jeden Fall unübersehbar ist und die Touristen vor dem Centre Pompidou magisch anzieht. Auch die Reisegruppe aus dem Reich der Mitte zeigt sich beeindruckt, gibt aber unumwunden zu, nicht im entferntesten zu erahnen, was die Skulptur darstellen soll. Das obligatorische Gruppenfoto jedoch muss sein.

"Wenn ich Franzose wäre, würde ich es als Provokation empfinden", meint Giovanni. Aber erst ist nicht Franzose, sondern ausgerechnet Italiener. Irritiert fügt der Juve-Fan aus Rimini hinzu: "Ein merkwürdiges Kunstwerk. Ist das die Art der Franzosen, über sich selber zu lachen?". Suzanne, eine 15 Jahre alte Gymnasiastin aus der Bretagne, findet die Statue "eher lächerlich".

Gewiss eigentlich sollte Fair Play den Fußball bestimmen und nicht Gewalt, findet sie. Andererseits zeigten die meisten Franzosen angesichts der schlimmen Provokationen Materazzis durchaus Verständnis für "Zizous" Kurzschluss-Reaktion. "Schockiert? Nein das bin ich überhaupt nicht", sagt ihr Vater Alain, ein Lehrer für Literatur. "Die Statue an sich ist schön, nur die gewalttätige Szene nicht."

Philippe Guyot de Caila, der zornige Verbandsfunktionär, und seine wackeren Mitstreiter appellieren nun an Zinedine Zidane direkt. An den glorreichen Weltmeister von 1998, an das umjubelte Idol einer ganzen Nation, "an den Sportchampion, an den künftigen Trainer und vor allem an den Papa". Er möge doch bitte selbst dafür sorgen, dass diese negative Darstellung umgehend verschwindet.

Dass das passieren wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Den wackeren Funktionären kampflos das Feld zu überlassen, kommt für den Präsidenten des Centre Pompidou überhaupt nicht infrage. "Die Forderungen schockieren mich", kommentierte Alain Seban seinen Konter. In spätestens zwei Monaten, am 7. Januar, wird sich die hitzige Dribbelei um Zizous Kopfstoß quasi von selbst erledigen. Dann wird die Statue ohnehin abgeschraubt.

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