Regenwürmer-Zucht als Geschäftsidee

Die Langhoffs verdienen auf ungewöhnliche Art Geld: Sie züchten Regenwürmer. Derzeit haben sie vier Millionen Stück.

Düren. Oswald Weingarten stellt seine Plastikdose hin: „Ein Kilo“, sagt er und meint Regenwürmer. Seine Würmer sind ihm im vergangenen Winter „abgehauen“, erzählt der 76-Jährige. Vom Kompost in den Boden. Auf nimmer Wiedersehen. Flucht vor dem harten Frost. Den Komposthaufen hat er in diesem Sommer größer gemacht, damit es nicht mehr reinfriert. Jetzt braucht er Würmer, auch zum Angeln. Also: Ein Kilo von den mittelgroßen. Mit seinen Händen greift Martin Langhoff in die lockere Erde. Plötzlich ist Leben drin: Nackte roséfarbene Würmer winden sich. Ein Gewusel, nicht gerade appetitlich.

Mensch und Wurm, das war schon immer eine zwiespältige Beziehung. Verhasst als Bandwurm, im Dreck kriechend bemitleidet, geschätzt schon von den alten Griechen für seine Bodenqualitäten. Geschluckt bis ins 19. Jahrhundert — tot oder lebendig — bei Bauchweh, Gicht, aber auch gegen Trunksucht.

Familie Langhoff macht in Regenwürmern — Dendrobaena venata. Die Wurmfarm ist eine nüchterne Halle im Dürener Industriegebiet bei Aachen. Zu der Farm gehört der Internethandel „Superwurm“. Es riecht nach Erde. Fünf Beschäftigte und vier Millionen Würmer. Die Tierchen leben lautlos und unauffällig in weißen Plastikschalen, mit Erde vermischt, sortiert nach Alter und Größe. Die Leute lächeln immer noch, wenn Langhoff von dem Familienunternehmen erzählt: „Sie sind verdutzt, irritiert, dann erwartungsvoll.“ Auch bei der Bank damals. Das Geld haben sie ihm gegeben, als die Familie 2001 anfing.

Superwurm begann mit zwei Regenwürmern, die Sohn Marvin als Kind in einer Blechdose angeschleppt hatte. Er fragte den Eltern Löcher in den Bauch. Irgendwann war dann die Sache mit der Paarung geklärt. Als studierter Maschinenbauer landete Langhoff bei der professionellen Zucht und recherchierte im Netz, allerdings auf englischen Internet-Seiten.

Deutschland sei bei der Wurmproduktion ja Entwicklungsland. „Die Niederlande sind ein großes Wurmland“, sagt Langhoff, Polen und Ungarn noch. Aber Deutschland? Vielleicht brauchte es einen Maschinenbauer wie ihn, der das Wurm-Geschäfts-Potenzial ernst nahm und auch die Maschinen entwickeln konnte: So was wie Kokon-Aussortier-Maschinen, Wurm-Sortierer und Zähler, Befeuchtungs- und Fütterungs-Maschinen.

Und wie geht es dem Wurm in der Massenproduktion? Der Mann greift ein dickes Exemplar mit Daumen und Zeigefinger. „Wir haben gesunde Tiere. Die sind prall und agil. Dann geht’s denen auch gut.“ Zurück in die Kiste mit dem Wurm. Der verschwindet sofort in die Erde. Angler sind Hauptkunden von Superwurm. Und die lieben agile Würmer. „Der Wurm muss zappeln. Und der Dendrobaena zappelt noch eine halbe Stunde am Haken.“ Armer Wurm? Da gebe es doch diese Studie, so Langhoff: Demnach kenne der Wurm keinen Schmerz.

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