Religion: Jesus und die Aufersteher

Der Glaube an die Überwindung des Todes ist weit älter als das Christentum. Sumerer und Assyrer verehrten Inanna, die Ägypter Osiris als auferstandene Götter.

Düsseldorf. Und ewig grüßt der Gottessohn: Pünktlich jede halbe Stunde düst Jesus aus seinem Grab empor, schwebt minutenlang über dem Erdboden. Jubel aus den Lautsprechern: Halleluja! Der Auferstandene nickt seinem Publikum zu, das begeistert klatscht.

Zu Tausenden kommen die Menschen täglich in den Bibel-Park von Buenos Aires, um die Auferstehung live zu erleben, alle 30 Minuten eine neue Show. Da stört es niemanden, dass Jesus nur eine riesige Plastikpuppe ist, von Computern gesteuert.

Tatsächlich aber, und das weiß jeder, ist Jesus nur ein einziges Mal auferstanden: nach christlichem Glauben vor rund 2000 Jahren, damals in Jerusalem. Und danach? Was macht der richtige Jesus eigentlich heute?

"Heute ist Jesus irgendwo im Weltall in Begleitung eines gewissen Rutja unterwegs." Behauptet Arto Paasilinna. Und dieser Rutja sei der "Sohn des finnischen Donnergottes, eine Art Kollege von Jesus".

Mag auch Paasilinna seinen skurrilen Roman "Der liebe Gott macht blau" nur erfunden haben - in einem hat der finnische Kultautor recht: Jesus ist nicht der einzige Gottessohn - und er ist auch nicht der einzige Auferstandene. Zumindest wissen so manche Religionen und altertümlichen Mythologien ähnliche Abenteuer zu erzählen.

Jesus, der Sohn Gottes, ist also nicht der Erste, der als Auferstandener verehrt wird. Wie andere auch hat er qualvolles Sterben erlebt.

Denn vor die erlösende Auferstehung haben die Götter den Schmerz gesetzt: Psychoterror, Folter, Tod. Damit nicht genug: Es folgen drei Tage Zwangsaufenthalt im "Reich des Todes", in alten Texten "Unterwelt" oder "Hölle" genannt.

Diese Reihenfolge - Schmerz, Tod, Hölle - als Bedingung für eine Auferstehung hat von jeher Tradition.

Den Anfang machte Inanna - oder auch nicht. Wie bei antiken Überlieferungen so üblich, lassen sie sich nur vage datieren. Fest steht allerdings: "Es gibt jede Menge auferstandene Götter", sagt Michael von Brück. Der Münchener Religionswissenschaftler spricht von "ähnlichen Vorstellungen" in den Mythologien, die aus dem Altertum stammen.

Inanna ist dabei zumindest ein früher Aufersteher - und sage noch einer, Auferstehung sei Männersache! Denn Inanna war eine Göttin der Sumerer und Assyrer, schon 2000 Jahre vor Jesus machte sie ihre Todeserfahrung.

Es folgte das damals bereits übliche Prozedere: erst Unterwelt, dann Auferstehung. Unklar ist in Inannas Fall, wer für ihre Auferweckung zuständig war: Auf einigen kaputten Tontafeln steht etwas von einem Himmelsgott, auf anderen Scherben gar von zwei Göttern, denen Inanna ihre Auferstehung verdankt.

Ein ägyptischer Vertreter unter den Auferstehern machte eine besonders unschöne Erfahrung: Osiris wurde von seinem Bruder Seth nicht nur umgebracht, sondern auch zerstückelt.

Das genaue Datum ist unklar, klar. Wissenschaftler wie Beate Hofmann vom Bochumer Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (Ceres) siedeln die Osiris-Story im Zeitraum 2350 vor Christus an - also noch vor Inanna.

Wichtiger als das Datum indes ist die Frage: Was bedeutet die Auferstehung? "Grundsätzlich glaubten die Ägypter an ein Leben nach dem Tod", erläutert Beate Hofmann, "und der Mythos vom Totengott Osiris steht für den Kreislauf der Ewigkeit.

Klar ist, dass Religion aus vorhandenen Traditionen schöpft." Soll heißen: Die Glaubens- und Götterwelt der verschiedenen Völker vermengt sich. Da klingt das griechische Dionysos-Mysterium verdächtig nach dem ägyptischen Osiris-Kult, wird der mesopotamische Totengott Nergal mit dem babylonischen König Nergal gleichgesetzt.

Sie sind eben vielschichtig, die Vorstellungen von Auferstehung. Man denke nur an einen gewissen Siddharta in Indien: Er aufersteht mehr innerlich aus einer Trance, ohne Grab als Zwischenstation, und wandelt sich zum Buddha. Ganz anders bewerkstelligt rund 500 Jahre später in Israel Jesus seine Auferstehung: Gott wird den Menschen zuliebe selbst Mensch und stirbt.

Solchen Opfermut haben die antiken göttlichen Aufersteher nicht vorzuweisen. Religionswissenschaftler von Brück spricht von der "Einmaligkeit und Einzigartigkeit der Auferstehung Jesu". Theologen sehen den Sinn in der "Erlösung": Auf den lieben Gott vertrauen und auf seine Gnade, dann wird alles gut, dann kommt wie bei Jesus nach dem Tod etwas viel Besseres, ein ganz neues Leben!

Diese Idee der Auferstehung, meint Michael von Brück, könne Antwort geben auf "unsere Hoffnungen, Erwartungen und Ängste". Was Mut macht im Alltagstrott: Immer wieder auferstehen, sich nicht unterkriegen lassen. Immer wieder Zeichen der Auferstehung wahrnehmen: im Partner, der dich küsst, im Nachbarn, der dich einlädt, in Kindern, die lachen. Wer all die kleinen Aufersteher um sich herum erkennt, der braucht keinen Plastik-Jesus in Buenos Aires.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort