Ritterturniere: Wenn dem Zuschauer der Atem stockt

Andreas Wolter ist Stuntman mit Vorliebe fürs Mittelalter.

Mettmann. Die Karriere von Andreas Wolter war eigentlich schon beendet, noch ehe sie begonnen hatte. Er war gerade fünf, da fiel er auf dem Reiterhof seines Opas vom Pferd. "Ich landete im Sand und hatte die Nase voll", erinnert sich der Düsseldorfer und kann sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Denn heute liegt der hochgewachsene junge Mann andauernd im Sand. Nicht aber, ohne vorher durch Feuerwände geritten oder kopfüber vom Pferd gestürzt zu sein. Hauptsache, es ist waghalsig, gefährlich, und den Zuschauern stockt der Atem. Andreas Wolter ist Ritter - pardon, Stuntman mit einer Vorliebe fürs Mittelalter.

Rittergeschichten faszinierten den 29-Jährigen schon als Kind. Mit 14 nahm ihn sein Onkel Peter Luckau deshalb mit in die Eifel. "Peter gehörte damals bereits zu einer Gruppe, die auf Burg Satzvey Ritterturniere veranstaltete", erzählt Wolter. Dumm nur, dass sich die Edelmänner seit jeher auf Pferden fortbewegen. "Und auf Satzvey gab es so schrecklich viele Pferde. Da bin ich lieber Knappe geworden, so ein Leibeigener des Ritters."

Dort lernte Wolter auch Steve Szigeti kennen, einen gebürtigen Ungarn, der als Stunt-Koordinator für internationale Produktionen tätig ist und auf der Burg die Shows mitgestaltete. Wenn nur nicht wieder die Pferde gewesen wären. "Steve hat mich einfach reingeschubst. Mal gab er mir die Zügel, mal stellte er mich neben ein steigendes Pferd. Irgendwann war die Angst weg." Schnell folgte sein erstes Knappenturnier - der Bann war gebrochen und Wolter mit dem Mittelalterbazillus infiziert.

Da ergeht es ihm wie vielen anderen. Ritterturniere und Mittelaltermärkte liegen im Trend. Kein Wochenende zwischen April und Oktober, an dem nicht vor historischen Kulissen in Deutschland Veranstaltungen angeboten werden. Die Szene ist genauso bunt wie das Publikum. "Vom Wirtschaftsboss bis zum Müllmann ist alles dabei. Egal, ob du deinen Mercedes auf dem Parkplatz stehen hast, mit dem Zug oder mit dem Fahrrad kommst."

Der Düsseldorfer reist mit Pferd - Essam, ein sechsjähriger Vollblutaraber, den er selbst zum Stuntpferd ausgebildet hat. Eine echte Herausforderung, denn die Rasse gilt als besonders sensibel. Außerdem finden es Pferde generell nicht so toll, wenn es knallt und raucht. "Das haben wir geübt, mit der Pechfackel, dem platzenden Luftballon, dem Teppichknaller." Täglich trainiert er in einem Mettmanner Reitstall, "bis die Hobbyreiter Reißaus nehmen". Seinen Job als Messebauer hat Wolter aufgegeben, um sich ganz auf die Arbeit als Stuntman zu konzentrieren. Denn er wird für TV-Shows, Filmproduktionen wie "Don Quichotte" oder Messen gebucht - immer dort, wo Doubles benötigt werden. Seine jüngste Rolle: Fechter im Kino-Spektakel "Henry IV".

Das Ritterdasein indes ist seine große Leidenschaft. "Ich bin bei den ,Rittern von Satzvey’ groß geworden." Im Frühjahr kehrte die international renommierte Truppe der Burg den Rücken und startet nun als "Compania Ferrata" einen Neuanfang.

Wenn Andreas Wolter von den Turnieren erzählt, dann gerät er ins Schwärmen. Er spricht vom perfekten Zusammenspiel von Show und Historie, von schönen und wuchtigen Bildern. "Wenn ein Fünfjähriger nach der Show völlig beeindruckt vor dir steht und ehrfurchtsvoll zurückweicht, ist das ein großartiger Moment." Gerade die Kindertauglichkeit der Show sei wichtig. "Man kann heute viel mit Kunstblut machen. Aber wir wollen Erwachsenen und Kindern eine tolle Unterhaltung bieten."

Das setzt ein professionelles Drehbuch voraus, das jede Turniersaison aufs Neue vom Kopf der "Compania Ferrata", Turnierherold Michael Cornély, geschrieben wird. "Michael gibt die Geschichte vor, Peter, Steve und ich sehen, welche Action-Szenen machbar sind." Dabei geizt die Truppe aus sieben Rittern mit dazugehörigen Knappen nicht mit hollywoodreifen Auftritten: wenn ein Dorf niedergebrannt wird, Ritter in Rüstung mit Lanzen aufeinander losgehen oder Pferde durchs Feuer stürmen. Aber auch der Witz darf nicht fehlen.

Eine Show sei erst gut, wenn die Reiter ihre Rolle lebten, weiß Wolter. "Nur so wirken wir beim Publikum glaubwürdig." Eine authentische Gewandung ist ein Muss. In der neuen Story "Kampf um den heiligen Gral" trägt er als Johann von Brabant eine Kuvertüre (Pferdedecke) mit goldenem Löwen auf schwarzem Grund. Und "endlich", wie er erleichtert feststellt, darf er einen "vermeintlich Guten" spielen. "Zuletzt war ich ein böser Araber, ein echt fieser Möp." Nun kommt er jung, stark und wahnsinnig gutaussehend daher - na klar.

Und die Story? Die ist eigentlich noch geheim. Doch Andreas Wolter verrät, dass Johann gemeinsam mit drei in die Jahre gekommenen Kreuzrittern in die Heimat zurückkehrt, wo die böse Kaiserin Intrigen spinnt. Die Ritter trennen sich - einen verschlägt es in die Taverne, einer wird Musiker, der dritte geht ins Kloster. "Ich soll als sein Novize mit", erzählt Wolter. Dabei will er lieber Schlachten schlagen und für die Kaiserin die Welt erobern. "Ich soll ihr den Gral besorgen und töten, was sich mir in den Weg stellt", verrät der junge Ritter.

Bis zum ersten großen Turnier zu Pfingsten in Mülheim wartet auf die "Compania Ferrata" aber noch eine Menge Arbeit. Regelmäßig treffen sich die Ritter und planen neue Show- und Stunt-Elemente. "Die einzelnen Bausteine proben wir dann in der Reithalle." Oft gesellt sich eine Gruppe von Fußkriegern dazu, um Schwertkämpfe einzustudieren und Massenszenen zu proben.

Nicht zuletzt geht es ans Texte lernen: Denn es wird nicht nur gekämpft, sondern auch viel gesprochen. Und wenn ein Satz in der Show plötzlich weg ist? "Dann improvisiert unser Herold. Den kann man nicht aus der Reserve locken", sagt Wolter und grinst einmal mehr. Der Herold schreibe nicht nur das Drehbuch, sondern habe stets auch das letzte Wort. Wie im echten Mittelalter.

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