Roboter betreuen Senioren in einem japanischen Altenheim

Sprechen, singen, streicheln: Japanische Senioren haben dafür immer häufiger einen Roboter als Partner. Zu Besuch im Altenheim Fuyo-En.

Die Beschäftigung mit der Roboter-Robbe beruhigt demenzkranke Senioren — und entlastet damit das Pflegepersonal im Altenheim Fuyo-En.

Die Beschäftigung mit der Roboter-Robbe beruhigt demenzkranke Senioren — und entlastet damit das Pflegepersonal im Altenheim Fuyo-En.

Foto: Lars Nicolaysen

„Parlo“ hebt die Arme, Musik erklingt, dann ruft der Roboter mit kindlicher Stimme: „Lasst uns im Rhythmus klatschen.“ Im Saal des Pflegeheims Fuyo-En in Tokios Nachbarstadt Yokohama blicken gut ein Dutzend betagte Japaner die Maschine auf dem Tisch für einen Moment ratlos an. Nicht jeder hat den 40 Zentimeter kleinen humanoiden Roboter verstanden. Ein Pfleger in weißem Kittel tritt heran und wiederholt laut „Parlos“ Aufforderung. Eine Dame in der ersten Reihe ruft begeistert: „Ja, ja.“ Und „Parlo“ beginnt zu tanzen.

Automatisierte Beschäftigungstherapie: Der kleine „Parlo“ lädt zum Mitklatschen ein. Fotos: Lars Nicolaysen

Automatisierte Beschäftigungstherapie: Der kleine „Parlo“ lädt zum Mitklatschen ein. Fotos: Lars Nicolaysen

Foto: Lars Nicolaysen

„Der Roboter ist Teil des Alltagslebens hier geworden“, sagt Heimleiter Akira Kobayashi. Seine Pflegeeinrichtung liegt in einer Sonderwirtschaftszone zur Förderung von Robotern, die von der japanischen Regierung in Tokios Nachbarprovinz Kanagawa eingerichtet wurde. „Parlo wird von manchen der Damen wie ein kleines Kind betrachtet“, erklärt Kobayashi, während der Roboter mit den Senioren Rätselraten spielt. „Er verfügt über 365 verschiedene Programme. Wir nutzen ihn zur Einstimmung in unsere täglichen Erholungsstunden mit den Bewohnern unseres Altersheims.“

Entwickelt wurde „Parlo“ von der japanischen Firma Fuji Soft. „Ziel dieses Roboters ist es, eine neue Beziehung zwischen Menschen und Computern zu schaffen“, erläutert Eiji Honda, Leiter der Roboter-Abteilung. Computer seien bisher lediglich Werkzeuge gewesen. „Wir wollen daraus einen Partner machen“, sagt Honda und blickt auf ein Poster in seinem Büro, von dem die berühmte Comic-Figur „Tetsuwan Atomu“ (Astro Boy) des Zeichners Osamu Tezuka herabschaut. Der Androiden-Junge mit den Superkräften aus einem Manga-Comic der 50er und 60er Jahre ist eine Art Vorfahre von „Parlo“. Und er ist Ausdruck der seit Generationen andauernden Begeisterung der Japaner für Technik und Roboter aller Art.

„Parlo“ ist mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet, er kann Menschen an ihren Stimmen erkennen und mit ihnen kommunizieren. Mit seinen Armen und Beinen erinnert er an größere Androide wie Hondas „Asimo“ oder Sonys Roboterhund „Aibo“, die vor Jahren weltweit für Aufsehen sorgten und Japans Stellung als führende Roboter-Nation unterstrichen.

Industrie und Forschungseinrichtungen der fernöstlichen High-Tech-Nation konzentrieren sich aber längst nicht mehr nur auf Unterhaltungsroboter. In den Mittelpunkt rücken zunehmend Service- und Pflegeroboter. Kein Wunder: Keine Industrienation altert so schnell wie Japan. Als Folge davon wird ein erheblicher Mangel an Pflegekräften erwartet. Fehlen in Deutschland in diesem Bereich Schätzungen zufolge im Jahr 2020 voraussichtlich 115 000 Fachkräfte, werden es in Japan wohl 400 000 sein.

Um diese Lücke zu schließen, setzen die Japaner verstärkt auf Roboter. Der weltgrößte Automobilkonzern Toyota Motor hat einen „Care Assist Robot“ entwickelt, der helfen soll, Patienten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen aus dem Bett zu hieven und zur Toilette zu bringen. Der Elektronikriese Panasonic hat ein Bett ersonnen, bei dem sich ein Teil in eine Art Rollstuhl verwandelt.

Bei aller Funktionalität sind die Roboter in Japan nicht unbedingt dazu gedacht, Pflegekräfte zu ersetzen, sie sollen ihren menschlichen „Kollegen“ vor allem eine Hilfe sein. „Ehrlich gesagt ginge es hier auch ohne Roboter wie Parlo“, sagt Kobayashi vom Pflegeheim Fuyo-En. Der Roboter sei einfach ein weiteres Mittel, die alten Menschen dazu anzuregen, zu kommunizieren oder beim Essen fröhlicher zu sein.

Ähnlich verhält es sich mit der Roboterrobbe „Paro“. Die Maschine im weißen Fell eines süßen Kuscheltiers soll helfen, in sich zurückgezogene, depressive Bewohner mit Demenz zu betreuen. „Wenn jemand zum Beispiel in den Speisesaal zum Mittagessen geführt wird und sich hinsetzt, kommt es vor, dass die Person nach zwei Minuten vergessen hat, warum sie dort sitzt, und reagiert ängstlich“, schildert Kobayashi. „Bevor wir Roboter eingeführt haben, wurde dadurch jedes Mal eine Pflegekraft aufgehalten.“ Jetzt wird der Heimbewohner gebeten, sich um die Robbe zu kümmern, was oft beruhigend wirkt und die Atmosphäre für alle entspannter macht — auch für die Pflegekräfte.

Gerade dieser Punkt spielt bei der Entwicklung von Robotern in Japan eine wichtige Rolle. Der Beruf des Altenpflegers ist anstrengend, sowohl physisch als auch mental. Roboter sollen helfen, die Arbeitsbedingungen zu erleichtern — auch, damit weniger Pflegekräfte den Job hinwerfen.

„Industrieroboter tragen dazu bei, dass weniger Arbeitskräfte eingesetzt werden müssen und die Produktivität erhöht wird. In der Pflegebranche spielen jedoch die Menschen die Hauptrolle, und die Roboter unterstützen die Menschen, sie leben miteinander“, erläutert Shiro Sekiguchi. Er ist führender Mitarbeiter einer Organisation zur Förderung der Verbreitung von Pflegerobotern in Yokohama. „Es wird nicht dazu kommen, dass Roboter die Pflege von Menschen übernehmen“, sagt er.

Der Pflegebereich stellt die Entwickler vor komplexe Aufgaben, was sie (noch) an die Grenzen des technisch Machbaren stoßen lässt. Zudem gibt es bei den Senioren trotz aller Technikbegeisterung durchaus Vorbehalte gegenüber Robotern. Auch im Pflegeheim Fuyo-En macht noch lange nicht jeder mit, wenn „Parlo“ zum gemeinsamen Singen auffordert.

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