Rocker-Club: Zu Besuch bei Höllenengeln

In Solingen luden die Hells Angels zum „Tag der offenen Tür“ – und wurden von den Besuchern förmlich überrannt.

Solingen. Die tun nichts. Die wollen nur spielen. An diesem Abend spielen die muskulösen Herren in den schwarzen Westen, auf denen der geflügelte Totenkopf grinst, die netten Kumpel von nebenan. Aber vielleicht ist das ja auch gar nicht gespielt. Nur weil das Landeskriminalamt einige Hells Angels für schwere Kaliber hält, muss das schließlich nicht für jeden Höllenengel gelten.

So scheint es jedenfalls die zierliche ältere Dame zu beurteilen, die im Flur des ehemaligen Solinger Gasthofs "Beim Öhm" einen bulligen Mann mit rasiertem Schädel ansäuselt. "Wir haben uns schon oft gesehen. Ich wohne in der Nachbarschaft." Der "Angel" lächelt artig und verkauft den nächsten Wertbon, mit dem es an der Theke Bier und Schnaps gibt.

Vier Monate hat das Charter Midland - die regionale Gruppe der weltweit organisierten Harley-Davidson-Rocker - den alten Gasthof am Stadtrand von Solingen mit eigener Hand zum Klubhaus umgebaut. Vorher hatten die Männer ihr Hauptquartier in Viersen. Der Polizei sind sie dort nicht negativ aufgefallen.

"Angel for ever, for ever Angel" tönt ein Rocksong aus den Boxen durch die rauchgeschwängerte Luft. Der Schankraum ist voller Besucher, die über die Umbauten staunen: schwarze Fliesen, rote Sitzmöbel, eine Theke in den Hells-Angels-Farben Rot und Weiß.

"Astrein!" lobt Axel Hartmann (58), der in der Nähe wohnt und selbst eine Suzuki fährt. "Die haben hier richtig Gas gegeben." Seine Partnerin Gisela Kunstmann (58) findet gut, dass die Gruppe die Türen öffnet. "Die sind doch auch nicht schlechter als andere Menschen."

Sie haben aber einen schlechteren Ruf. Genau darum organisiert der Präsident des MC Midland den Abend. "Wir wollen hier nur unsere Ruhe. Mit den Nachbarn haben wir keinen Stress", sagt Christian M. (48), ein blonder Hüne mit Schnauz und Wikinger-Zopf, der im ersten Stock des Hauses lebt. Anwohner hätten sogar Brot und Salz vorbeigebracht.

Mehrere hundert Besucher, darunter auch Eltern mit kleinen Kindern, schauen sich neugierig um. Im Hof sitzen sie an langen Tischen und trinken Bier. Die Hells Angels haben sich auf dem Gelände eine kleine Bühne gebaut, auf der Bands auftreten können.

Neben dem neuen, schweren Hoftor aus Stahl wacht eine weiße Gänse-Figur - ganz wie in Nachbars Garten. Die "Engel" haben ja auch bürgerliche Berufe, sagen sie. "Vom Automechaniker bis zum Security-Mann ist alles dabei", erzählt ein breitschultriger Typ. Ein anderer berichtet von seiner Werkstatt in Mettmann, in der er Autos auf Gasbetrieb umstelle: "Auch Dienstwagen der Stadtverwaltung." Am Wochenende nach Solingen ins Klubhaus zu fahren, sei "wie ein kleiner Urlaub" für ihn.

Die Mitglieder der Gruppe kommen aus der ganzen Region, von Düsseldorf bis Kleve. Wie viele sie sind, verrät Christian M. nicht. "Wir haben auch Feinde", meint der Präsident vielsagend. Denn die Welt der Hells Angels ist nicht so harmlos, wie es an diesem Abend scheint. Erst im Juni 2008 verurteilte das Landgericht Münster zwei Männer aus der Konkurrenz-Gruppe "Bandidos" zu lebenslanger Haft: Sie hatten einen Motorradhändler erschossen, der ein Hells Angel war.

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