S-Bahnhof Wehrhahn: Um 15.04 Uhr geht die Bombe hoch

Am 27. Juli 2000 explodierte am Wehrhahn eine Ladung TNT. Ausschuss soll klären, ob der NSU damit zu tun hat.

S-Bahnhof Wehrhahn: Um 15.04 Uhr geht die Bombe hoch
Foto: dpa

Düsseldorf. Der S-Bahnhof Wehrhahn im Düsseldorfer Stadtteil Flingern ist kein Ort, an dem man sich besonders gern aufhalten würde. Durch eine schäbig gekachelte, mit Plakaten zugepflasterte Überführung geht es zu den Gleisen, die unterhalb der Ackerstraße in Nord-Süd-Richtung verlaufen. Wer hinunter muss, hat es für gewöhnlich eilig. Der Regen am 27. Juli 2000 macht die Station nicht eben freundlicher.

Auch die Gruppe Sprachschüler, überwiegend jüdische Einwanderer aus Osteuropa, die durch die Röhre hastet, will nach dem Unterricht schnell nach Hause. Plötzlich, es ist 15.04 Uhr, gibt es einen gewaltigen Knall, Hunderte Metallsplitter zerschneiden die Luft. Ekatarina P. zerfetzen die Schrapnelle die Hauptschlagader im rechten Bein, neun weitere Menschen werden schwer verletzt.

Besonders schlimm trifft es Tatjana und Michael L., ihr ungeborenes Kind wird von einem Splitter getötet, das junge Ehepaar selbst verletzt. Noch ein Jahr nach dem Anschlag sind sie traumatisiert — wie fast alle der damaligen Opfer, von denen viele Deutschland mittlerweile verlassen haben. „Ich sehe das immer wieder vor mir. Ich rieche das Blut, ich höre die Explosion“, sagte K. 2005 am fünften Jahrestag des Anschlags im Gespräch mit unserer Zeitung.

Bis heute ist unklar, wer hinter dem Anschlag steckt. Die eingerichtete Sonderkommission „Ackerstraße“ wird nach und nach auf zwei Beamte verkleinert, die Belohnung für Hinweise nach und nach aufgestockt — aber selbst 61 000 Euro ziehen nicht. Öfter wird nach dem Auffliegen des NSU im Jahr 2011 über dessen Täterschaft spekuliert. Beweise soll nun der Untersuchungsausschuss im NRW-Landtag liefern.

„Die Zusammenhänge bei dem Anschlag am Wehrhahn sind zum Großteil noch offen. Experten sehen jedoch ein ähnliches Muster wie bei den NSU-Taten“, sagt Armin Laschet, Chef der CDU-Fraktion, die den Ausschuss mit Rückenwind der anderen Parteien beantragen will.

In der Tat könnte die in Flingern verwendete, mit TNT gefüllte und in einer Plastiktüte versteckte, Rohrbombe ein Hinweis auf den NSU sein. Die drei mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe verschwanden zwei Jahre vor dem Anschlag am Wehrhahn im Untergrund — zuvor hatte die Polizei in Zschäpes Garage zündfähige Rohrbomben gefunden. Und: Im Jahr des Düsseldorfer Anschlags beginnt auch die Mordserie des Trios. Im September schießen mutmaßlich die beiden Uwes Enver Simsek in Nürnberg in den Kopf.

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