Schläger nach tödlicher Attacke am Alex untergetaucht

Berlin (dpa) - Die brutalen Angreifer sind auf der Flucht. Ein junger Berliner starb an Gehirnblutungen. Am Tatort am Alexanderplatz liegen Blumen. „Unbegreiflich“ steht auf einem Zettel. Nach dem Entsetzen gibt es eine neue Debatte.

Was kann die Gesellschaft gegen Gewalt tun?

Die Staatsanwaltschaft setzte am Dienstag eine Belohnung von bis zu 15 000 Euro für Hinweise zur Ergreifung der Täter aus. Es werde alles daran gesetzt, das schreckliche Verbrechen aufzuklären, sagte der Leiter der Staatsanwaltschaft, Andreas Behm. Gegen die jungen Männer wird wegen Mordes ermittelt.

Die Polizei fahndet nach sieben Verdächtigen. Innensenator Frank Henkel (CDU) appellierte an die Täter, sich nicht „feige“ zu verstecken, sondern sich zu stellen.

Die Gewalttäter sollen in der Nacht zum Sonntag einen 20-Jährigen in der Nähe des Roten Rathauses mit Fußtritten gegen den Kopf schwer misshandelt haben. Das Prügelopfer starb am Montag - laut Staatsanwaltschaft an Blutungen im Gehirn. Die Polizei appellierte an die Öffentlichkeit, sich mit Hinweisen zu melden. Die brutale Attacke hat eine neue Debatte über die nicht abreißende Gewalt in der Bundeshauptstadt ausgelöst. Zum Gedenken an den jungen Berliner wurden auch am Dienstag Blumen niedergelegt.

Laut Polizei wird zudem geprüft, ob die Verdächtigen möglicherweise zuvor bei der Party eines türkischen Künstlers im Lokal Cancun in der Rathausstraße waren. „Alle Gäste kommen als Zeugen infrage“, sagte ein Polizeisprecher. Es gebe zwar Videoaufzeichnungen vom nahen Bahnhof und von umliegenden Gebäuden, aber nicht direkt vom Tatort.

Die Leiterin der Mordkommissionen, Jutta Porzucek, sagte, die Attacke gegen die insgesamt vier Freunde hätte noch schlimmer ausgehen können. Neben dem 20-Jährigen wurde auch ein anderer Freund angegriffen und erlitt einen Jochbeinbruch. Die Schläger hätten nur abgelassen und die Flucht ergriffen, „weil es zu unruhig wurde“. Es seien gerade viele Menschen von der Cancun-Party ins Freie geströmt. Die Gewerkschaft der Polizei kritisierte, dass bei der Polizei massiv Stellen eingespart worden seien. Es sei unmöglich, langfristig mehr Polizisten auf die Straße zu schicken, ohne dass sie an anderer Stelle fehlten. Gefordert wurden auch härtere Strafen.

Der Berliner Soziologe Claudius Ohder sagte, die Gewalt habe nicht zugenommen, werde aber zunehmend von purem Hass getragen. Täter hätten oft keine Erfolgserlebnisse in Schule, Familie und Beruf. Der Bielefelder Gewaltforscher Wilhelm Heitmeyer warnte: „Die zunehmende soziale Ungleichheit zersetzt die Gesellschaft.“

Das spätere Opfer hatte mit Freunden einen Geburtstag in einem Club am Fernsehturm gefeiert. Die vier mussten den Laden aber wegen ihres Alkoholpegels verlassen. Da ein betrunkener 25-Jähriger kaum noch gehen konnte, nahm ihn einer der Bekannten Huckepack und trug ihn vor ein geschlossenes Lokal in der Nähe des Cancun.

Dort wollten seine Freunde ein Taxi rufen. Als ihm der 20-Jährige einen Stuhl geben wollte, riss ein ihm Unbekannter diesen weg. Auf die Frage des Begleiters, was dies solle, schlug ihn der Fremde brutal nieder. Sechs weitere Schläger kamen hinzu und prügelten und traten auf den Kopf des 20-Jährigen ein.

Am Dienstag lag am Tatort nahe vom Roten Rathaus auch ein Brief der Familie von Giuseppe M., der vor einem Jahr auf der Flucht vor Schlägern in ein Auto rannte und starb: „Wir wissen, wie es ist, mit so einer Tragödie fertig werden zu müssen.“

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