Sekretärin isst Frikadelle – gefeuert

Die Zahl der Kündigungsverfahren an den Arbeitsgerichten steigt stark – auch die Zahl der so genannten Bagatell-Fälle.

Düsseldorf. Weil sie eine Frikadelle vom Büfett ihres Chefs naschte, soll Chefsekretärin Magdalene H.(59) ihren Job beim Bauverband Westfalen in Dortmund verlieren - nach 34 Jahren Betriebszugehörigkeit. Ihr Vorgesetzter sieht das Vertrauensverhältnis zerstört und kündigte ihr fristlos. Der Fall liegt derzeit beim Arbeitsgericht Dortmund.

Es ist nur eine von zahlreichen Kündigungsschutzklagen, die derzeit die Arbeitsgerichte beschäftigen. Und es werden immer mehr: Allein im Bereich des Landesarbeitsgerichtes (LAG) Düsseldorf stieg die Zahl der Kündigungs- und Bestandsschutzverfahren gegenüber 2008 um ein Drittel.

LAG-Vizepräsidentin Brigitte Göttling: "Im Zeitraum Januar bis September gab es an den Arbeitsgerichten unseres Bereichs im vergangenen Jahr 14143 Verfahren. In diesem Jahr sind es im selben Zeitraum bereits 18724 Verfahren. Das ist eine Steigerung um 32,4 Prozent." Zum Bereich des LAG Düsseldorf zählen die Arbeitsgerichte in Duisburg, Essen, Krefeld, Mönchengladbach, Oberhausen, Solingen, Wesel und Wuppertal.

Mit der Zahl der allgemeinen Fälle stieg auch die Anzahl der sogenannten Bagatell-Kündigungen - wie im aktuellen Dortmunder Frikadellen-Fall. Göttling: "Da ist in jüngster Zeit eine gewisse Häufung zu erkennen. Aber prozentual machen diese Kündigungen nur einen geringen Anteil aus."

Juristisch spielt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) der Wert des Gestohlenen keine Rolle: Es kommt einzig auf den wegen des Diebstahls entstandenen Vertrauensverlust zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Das BAG hat dies bereits 1984 im "Bienenstich-Urteil" unterstrichen. Eine Kuchenverkäuferin hatte ein Stück Bienenstich aus der Auslage genommen und gegessen. Das BAG hielt eine fristlose Kündigung für gerechtfertigt,

Bekannt wurde jüngst der Fall der Berliner Kassiererin Emmily, der der Diebstahl von Pfandbons im Wert von 1,10 Euro vorgeworfen wurde, der Fall einer Remscheider Supermarkt-Mitarbeiterin, die ein Paket Damenbinden für 59Cent gestohlen haben soll, und auch der Fall des Mitarbeiters einer Oberhausener Metallfirma, dem wegen Stromdiebstahls gekündigt wurde, weil er am Arbeitsplatz sein Mobiltelefon aufgeladen hatte. Offizieller "Schaden": 0,00014 Cent. Dort wurde die Kündigung inzwischen zurückgenommen und in eine Abmahnung umgewandelt.

Dies hat das Arbeitsgericht Dortmund auch im "Frikadellen-Fall" der Chefsekretärin Magdalene H.vorgeschlagen. Doch deren Arbeitgeber bleibt hart: Das Vertrauensverhältnis sei zerrüttet, eine Weiterbeschäftigung nicht möglich. Nun kommt es im Januar zum Prozess.

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