Späte Mütter sind gelassener

NACHWUCHS: Claudia Jansen bekam mit 36 ihr erstes Kind. Sie sieht ihr Alter als einen Vorteil.

Brüggen. Nachwuchs? Das war für Claudia Jansen kein Thema. Nicht, dass sie und ihr Freund Peter strikt dagegen gewesen wären. "Aber mein Arzt hatte mir klar gemacht, dass es wegen eines Myoms und Zysten nicht geht”, erzählt die 40-Jährige aus dem niederrheinischen Brüggen. Deshalb fiel die Bankkauffrau aus allen Wolken, als ihr der Frauenarzt im Frühsommer 2002 verkündete: "Sie sind schwanger!” "Das muss so sein”, war ihr erster Gedanken. Der Zweite: "Oh Gott, ich habe doch gerade noch im Urlaub Rotwein getrunken und Zigaretten geraucht.” Freund Peter sah das Ganze pragmatischer: "Das ziehen wir durch”, beruhigte er seine Partnerin. Mit ihren damals 36 Jahren bekam die gebürtige Belgierin in ihren Mutterpass automatisch den Stempel "Risikoschwangerschaft”. Nicht allein wegen ihres Alters, sondern auch wegen ihrer Unterleibsprobleme. Risikoschwangerschaften erhalten medizinische Sonderbehandlungen "Irgendwie war ich dadurch etwas mehr schwanger als andere Frauen”, lacht die 40-Jährige. "Sie genießen ein Komplettpaket”, machte der Arzt seiner Patientin Mut. So gab es für sie - trotz Kassenpatienten-Status - mehr Ultraschall-Untersuchungen als üblich und Kontrolltermine in kürzeren Abständen. Von Panikmache wegen ihres vermeintlich hohen Alters wollte der Mediziner nichts wissen. "Er hat mich natürlich auf die Risiken hingewiesen, aber gleichzeitig betont, dass ich voll im Trend liege”, sagt die Mutter der inzwischen fast vierjährigen Lina. Angst vor einer Behinderung des Kindes? Ja, die sei in den ersten Schwangerschaftswochen groß gewesen, erinnert sich Claudia Jansen. Ganz bewusst entschied sich das Paar deshalb für eine Fruchtwasseruntersuchung. "Wir waren uns einig, dass wir kein schwerstbehindertes Kind wollten.” Erst der Bescheid, dass ein gesundes Mädchen unterwegs war, brachte die Erlösung. "Dann haben wir es auch allen Verwandten und Freunden erzählt.” Und es wurde geheiratet. Zu alt für ein Kind fühlte sie sich nie. "Ich habe so intensiv gelebt, bin um die Welt gereist und stand 16 Jahre im Beruf. Jetzt habe ich einfach die innere Ruhe”, sagt Claudia Jansen. Wer älter ist, hat nicht mehr das Gefühl, etwas zu verpassen Ihr Umfeld habe positiv reagiert. "Niemand hat gesagt, dass ich zu alt sei.” Selbst im Geburtsvorbereitungskurs war sie unter Gleichaltrigen. "Drei waren sogar älter.” In der Erziehung sieht sich die 40-Jährige ebenso wenig im Nachteil. "Ich mache mit Lina den gleichen Quatsch, den auch eine 20-Jährige mit ihrem Kind macht.” Wenn sie aber mit jungen Müttern spreche, spüre sie häufig deren Unerfahrenheit. "Ich bin viel ausgeglichener, weil ich nicht mehr das Gefühl habe, etwas zu verpassen. Davon profitiert meine Tochter.” Das liege auch daran, dass sie wieder zwei Tage in der Woche arbeitet und sich dadurch weiter im Beruf verwirklichen könne. "Ich bin heilfroh, erst so spät Mutter geworden zu sein.” UMFRAGE: WARUM HABEN SIE IHR KIND ERST SO SPÄT BEKOMMEN? Astrid Croon aus Mönchengladbach bekam ihr Kind mit 40: "Sohn Lukas war eigentlich gar nicht geplant. Jetzt freuen wir uns umso mehr über jeden Tag, den wir mit unserem Sonnenschein verbringen. Wir würden überhaupt nichts anders machen wollen. Während meiner Schwangerschaft habe ich mich gut gefühlt und hatte ein offenes und interessiertes Umfeld. Dadurch habe ich diese ,späte’ Schwangerschaft nie als außergewöhnlich empfunden. Auch bei den Ärzten und Schwestern hatte ich nie das Gefühl, ,zu alt’ zu sein. Vieles haben wir bereits erlebt, jetzt auch mit unserem Sohn Lukas. Zu etwas Außergewöhnlichem wird es häufig erst durch die Medien - manchmal leider auch mit negativem Beigeschmack.” Ilka Graff aus Düsseldorf bekam ihr Kind mit 37: "Ich wurde lange nicht schwanger, aufgrund einer organischen Ursache. Durch einen Zufall wurde ich auf einen Arzt hingewiesen, der sich damit auskannte. Und dann ging es doch sehr schnell. Für uns war es ein kleines Wunder, als es geklappt hat. Der Vorteil ist, dass man in meinem Alter nicht das Gefühl hat, etwas verpasst zu haben. Man hat schon gearbeitet, studiert und Party gemacht. Durch so ein kleines Kind wächst eine unheimliche Zufriedenheit und das Gefühl, anzukommen. Es ist eine super schöne Erfahrung, eine eigene Familie zu haben." Bärbel Schweizer, aus Solingen bekam ihr Kind mit 42: "Meine Schwangerschaft war nicht geplant, ich hatte mit Kindern schon abgeschlossen. Mein Kind war der schönste Unfall meines Lebens. Ich war erst sehr geschockt, aber ich habe mich sehr bewusst dafür entschieden. Was mich sehr geärgert hat, ist, mit wie viel Druck mein damaliger Gynäkologe die Fruchtwasseruntersuchung gefordert hat. Ich habe sie dann nicht gemacht. Ich wusste als Hebamme, was auf mich zukommt. Mein Alter sehe ich als Vorteil. Ich kann mein Kind seit der Geburt als eigene Persönlichkeit sehen. Nur manchmal fehlt mir der Elan einer jungen Mutter, mit auf Bäume zu klettern."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort