"Stern": Lidl ließ Mitarbeiter systematisch überwachen

Der Lebensmittel-Discounter Lidl hat laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Stern" seine Mitarbeiter systematisch überwachen lassen.

Hamburg. Der Lebensmittel-Discounter Lidl hat laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Stern" seine Mitarbeiter systematisch überwachen lassen. So sei in vielen Filialen protokolliert worden, welcher Mitarbeiter wie oft zur Toilette gehe oder wer mit wem womöglich ein Liebesverhältnis habe, berichtete das Magazin am Mittwoch unter Berufung auf hunderte Seiten interner Lidl-Protokolle. Auch seien Aufzeichnungen zur Fähigkeit der Mitarbeiter sowie zu deren Charakter gemacht worden.
Für die Überwachung hätten von Lidl beauftragte Detektive in den jeweiligen Filialen zwischen zehn und 15 Miniaturkameras installiert. Dem Filialleiter sei dabei erzählt worden, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich hätten die Detektive aber detaillierte Notizen zu den Mitarbeitern gemacht.
Lidl selbst habe dem "Stern" gegenüber die Existenz der Protokolle nicht bestritten, berichtet das Magazin weiter. Sie dienten aber "nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens", zitierte das Magazin eine Lidl-Sprecherin. Zugleich distanzierte sich das Unternehmen dem Bericht zufolge von detaillierten Protokoll-Passagen, die sich auf das Privatleben von Mitarbeitern beziehen. Die "Hinweise und Beobachtungen entsprechen weder im Umgangston noch in der Diktion unserem Verständnis vom Umgang miteinander", zitierte das Magazin eine Lidl-Stellungnahme. Mittlerweile sind Datenschützer in dem Fall aktiv geworden. Es werde datenschutzrechtlich geprüft, ob die Beschäftigten in zahlreichen Filialen systematisch überwacht wurden, sagte eine Sprecherin des baden-württembergischen Innenministeriums am Mittwoch in Stuttgart. Die Datenschützer für den nicht-öffentlichen Bereich in Baden-Württemberg werden den Fall unter die Lupe nehmen. "Der Sachverhalt muss aufgeklärt werden", betonte die Ministeriumssprecherin. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di sprach von einem Skandal. Wenn die Vorwürfe stimmten, "dann passt das in das System der permanenten Kontrolle und Unterdrückung in dem Unternehmen", sagte der Handelsexperte der Gewerkschaft in Baden-Württemberg, Bernhard Franke. Der Gewerkschafter forderte die Mitarbeiter auf, gegen die Zustände vorzugehen und Betriebsräte zu wählen. "Die Mitarbeiter werden eingeschüchtert und verängstigt. Es gibt so gut wie keine Betriebsräte bei Lidl", erklärte Franke. Unterdessen hat der Lebensmitteldiscounter Lidl eingeräumt, dass in einzelnen Filialen Mitarbeiter möglicherweise mit Überwachungskameras bespitzelt wurden. "Ich kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, dass es dazu Aufträge gegeben hat", sagt das Mitglied der Lidl-Geschäftsführung, Jürgen Kisseberth, am Mittwoch in Neckarsulm. "Das war aber nicht der Auftrag der Geschäftsleitung." Die zwei Detekteien hätten den Auftrag gehabt, über Kameraanlagen vor allem Diebstähle von Kunden aufzudecken. Erst wenn alle Aufträge im Bundesgebiet geprüft worden seien, könnten alle Verdachtsmomente ausgeschlossen werden, erklärte Kisseberth.

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