Stütze in den furchtbarsten Momenten

Dutzende Angehörige und Freunde wurden am Dienstag im Flughafen Düsseldorf betreut. Menschen wie Detlev Toonen halfen ihnen.

Stütze in den furchtbarsten Momenten
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Der Schmerz über die Todesopfer des Absturzes, er sammelte sich am Dienstag im Vip-Bereich des Düsseldorfer Flughafens. Dutzende von Freunden und Angehörigen der verunglückten Insassen kamen dort im Laufe des Tages zusammen, manche schrien ihre Trauer heraus, andere saßen zusammengesunken da und schwiegen.

15 Seelsorger waren bei ihnen, boten ihre Hilfe an, vor allem als Gesprächspartner, Zuhörer, Stütze. Sie sind weiter im Einsatz, denn noch immer sind Betroffene am Flughafen. Die Helfer begleiten sie durch die ersten Phasen der Trauer, den Versuch zu verarbeiten und zu begreifen, was geschehen ist. Einer von ihnen ist Detlev Toonen. Er macht diese Arbeit seit zehn Jahren, eine solche Situation hat er noch nicht erlebt.

Die erste Aufgabe der Seelsorger ist es laut Toonen, da zu sein und zuzuhören. Aus manchen Angehörigen sei es nur so herausgesprudelt: „Wir wollten doch nächstes Jahr zusammen nach Amerika fahren“, sagte eine Frau, die ihre Tante verloren hat. Solche Gedanken, Toonen nennt sie „verpasste Chancen“, kamen vielen in diesen Momenten in den Sinn..

In den ersten Stunden schwankte die Stimmung unter den Betroffenen noch, zu ungewiss war die Nachrichtenlage vom Unglücksort. Manche machten sich noch Hoffnungen. Ganz anders reagierte eine junge Frau, deren Mutter in der Maschine gesessen hatte und die mit dieser Situation nicht klarkam. Sie wollte unbedingt die Information haben, dass alle tot sind, weil sie die Ungewissheit nicht aushielt. Toonen: „Wir haben versucht, ihr zu sagen, dass diese Gewissheit ihr nichts bringen würde und versucht, ihr zu helfen, das auszuhalten.“ Die Frau habe sich dann ein wenig beruhigt.

Detlev Toonen, Seelsorger

Bis zu 50 Angehörige und Freunde hatten die Seelsorger teilweise zu betreuen. Zunächst waren das nur jene, die zum Abholen ans Gate gekommen waren. Doch im Laufe des Tages kamen immer weitere dazu. Dass sie sich dort aktuelle Informationen über ihre Angehörigen erhofften, ist für Detlev Toonen aber nur eine Erklärung.

Der Flughafen sei in einem solchen Moment vor allem ein emotionaler Ort, an dem die Trauer konkret und das Geschehene begreiflicher wird, vergleichbar einem Grab, das man besucht. Eine Frau kam erst am Abend. Ihr Freund war unter den Opfern, doch ihr Arbeitgeber hatte ihr nicht freigegeben.

Es sind viele Geschichten, die Toonen und seine Kollegen in den vergangenen beiden Tagen gehört haben — aber es gibt auch Dinge, die nicht zur Sprache kommen, oder nur zwischen den Zeilen. Während man in Düsseldorf hunderte Kilometer vom Unglücksort sitzt und auf Informationen wartet, geht bei vielen, so Toonen, „das Kopfkino los“. Da fragt man sich, wie derBruder oder Partner den Absturz erlebt habe und in welchem Zustand sich nun der Körper befinde. Einen Menschen auf diese Weise zu verlieren, traumatisiert, Detlev Toonen.

Eine Geschichte ging gut aus: Eine Frau war unter den Trauernden, deren Mann mit der Maschine fliegen wollte. Erst als Germanwings die Passagierliste lieferte, stellte die Frau fest, dass ihrem Mann etwas dazwischengekommen sein musste. Doch konnte sie sich nicht direkt freuen, wirkte wie in Trance. Eine Stunde lang hatte sie ihren Mann tot gewähnt, hatte um ihn getrauert. Das ließ sich nicht in einem Moment auflösen.

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