Tote und Verletzte bei neuem Erdbeben in der Türkei

Ankara/Berlin (dpa) - Ein heftiges Erdbeben hat zum zweiten Mal in wenigen Wochen den Osten der Türkei erschüttert. Mindestens neun Menschen starben in der Provinz Van nahe der iranischen Grenze, meldeten die Behörden.

Einsatzkräfte zogen nach Angaben des türkischen Staatsfernsehen TRT bis Donnerstagnachmittag 29 Verschüttete aus den Trümmern. In drei eingestürzten Gebäuden - darunter zwei Hotels - könnten noch bis zu 150 Menschen sein, meldeten Zeitungen. Dazu gehörte auch das Hotel Bayram, in dem nach dem schweren Beben im Oktober viele Journalisten und Aufbauhelfer wohnten. Die US-Erdbebenwarte gab die Stärke des Bebens mit 5,6 an.

Das Zentrum der Erdstöße von Mittwoch 21.23 Uhr Ortszeit (20.23 Uhr MEZ) lag in Edremit, einem Ort 20 Kilometer südwestlich der Stadt Van. Nach Angaben des Nachrichtensenders CNN Türk wurden etwa 100 Menschen in Krankenhäuser gebracht. Rettungskräfte suchten unter den Trümmern weiter nach Überlebenden, während Nachbeben immer wieder die Erde erschüttern.

Bereits am 23. Oktober hatte ein Erdbeben der Stärke 7,2 die Provinz Van erschüttert. Damals kamen mehr als 600 Menschen ums Leben, Tausende wurden verletzt. Die Epizentren der beiden Beben liegen etwa 40 Kilometer voneinander entfernt. Der türkische Erdbeben-Experte Ahmet Ercan sagte, die Gebäude der Stadt Van waren nach dem ersten Erdstoß „ramponiert wie ein Boxer nach neun Runden im Ring“. Die Regierung schloss nun alle Schulen bis Anfang Dezember.

Bei dem Erdbeben am Mittwoch seien 25 Gebäude eingestürzt. Von ihnen seien 22 seit dem Oktober-Beben leer gewesen, weil sie als unsicher galten, teilten lokale Behörden mit. Zu den anderen drei Gebäuden, die noch benutzt werden durften, gehörten auch das Hotel Aslam und die bei Journalisten beliebte Unterkunft Bayram.

Gegen den Inhaber des Bayram-Hotels in der Stadt Van werden nun schwere Vorwürfe laut: Es soll bereits beim früheren Erdbeben enorm beschädigt worden sein. Mit einfachen Mitteln wie Putz und Farbe habe man versucht, Risse in den Wänden zu vertuschen, berichtete die Zeitung „Milliyet“. Hintergrund war ein Besuch von Staatspräsident Abdullah Gül in der Krisenregion und in dem Hotel vor drei Wochen.

Im Hotel Bayram hatten in den 1970er Jahren der iranische Schah Reza Pahlewi und der damalige türkische Staatspräsident Cevdet Sunay residiert. Es ist beliebt bei Politikern in der Region. Erbaut wurde es vor 40 Jahren.

Hotelinhaber Aslan Bayram wies die Vorwürfe im türkischen Nachrichtensender NTV zurück: „Ich habe mein Hotel als sicher empfunden und übernachte seit dem Beben vor drei Wochen hier. Ich habe alles kontrollieren lassen. Mit dem Gebäude war alles in Ordnung.“ Nach seinen Angaben waren zum Zeitpunkt des Bebens 15 Menschen in dem Hotel, mindestens drei seien bislang gerettet worden.

Der Japaner Atsushi Miyazaki, der nach 13 Stunden aus den Trümmern des Hotels gerettet und mit einer Herzmassage wiederbelebt werden konnte, erlag aber im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, meldete TRT. Laut Medienberichten war der Japaner Arzt und nach dem Oktober-Beben angereist, um zu helfen.

Assia Shihab, Reporterin im französischen Fernsehen, berichtete der Nachrichtenagentur dpa von Rissen in den Wänden. Auch der Fahrstuhl habe nicht funktioniert. Die Journalistin hatte drei Nächte in dem Hotel verbracht. „Die Angestellten haben uns gesagt, es ist sicher. Aber man konnte sehen, dass sie sich selbst nicht sicher waren.“ Ihr Kameramann habe es vorgezogen, im Auto zu schlafen.

Der türkische Kameramann einer privaten Nachrichtenagentur und seine beiden Kollegen waren im Auto, als die Erde wackelte. Sie seien zurück zum Hotel gefahren, um ihre Ausrüstung zu holen. Doch als sie ankamen, sei das Gebäude bereits eingestürzt gewesen, sagte der Mann dem Sender Channel 24 TV.

Vans Zentrum gleicht inzwischen einer Geisterstadt. Zehntausende haben die Stadt verlassen, die meisten Geschäfte blieben am Donnerstag geschlossen. Vor den wenigen Läden, die geöffnet hatten, bildeten sich lange Schlangen.

In der Region müsse mit weiteren Erdstößen gerechnet werden, die eine Stärke von bis zu 6,2 erreichen könnten, zitierte die Zeitung „Milliyet“ den Experten Mustafa Erdik des türkischen Kandilli Observatoriums. Es wurde erwartet, dass Tausende Menschen aus Angst vor weiteren Erdstößen ihre Häuser verlassen und im Freien übernachten. Die türkische Regierung hat Zelte geschickt, Meteorologen erwarten Schneeregen. Die Provinz Van wird mehrheitlich von Kurden bewohnt.

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