TV: "Hochzeit auf den ersten Blick" setzt auf den Skandal

Die Sat 1-Fernseh-Show lebt von Kandidaten, denen nichts zu peinlich ist.

TV: "Hochzeit auf den ersten Blick" setzt auf den Skandal
Foto: dpa

Leverkusen. „Abstoßend“ und „geschmacklos“ zetert Kardinal Rainer Woelki. Und sogleich fragt man sich, was den Kirchenmann auch Jahre nach Big Brother und Hoden essen im Dschungel noch derart aus der Fassung bringen kann, wenn es um TV-Formate geht. Schwupps, und schon hat die Erregung des Kardinals im Sinne des kalkulierenden Senders (diesmal erfinderisch: Sat.1) funktioniert: Da schaut man mal rein: Bei der „Hochzeit auf den ersten Blick“ heiraten Menschen, die sich das erste Mal vor dem Traualtar begegnen. Rechtskräftig. Mit weißem Kleid und so. Und vereinzelten Tränen bei der anwesenden Gemeinde. Wobei man nicht ganz sicher ist, ob das Glück der Braut berührt oder das Entsetzen die Tränen treibt, die Tochter nun nicht mehr ernst nehmen zu können.

TV: "Hochzeit auf den ersten Blick" setzt auf den Skandal
Foto: dpa

Sei es drum: Es wird geheiratet, was zusammenpasst. Sagt Sat.1. Und die Fernsehmacher geben sich Mühe, ihrer von Aufregungspotenzierung getriebenen Quotenjagd den Anstrich eines Sozialexperiments zu geben. Mit freikirchlichem TV-Seelsorger, den Sat.1 von der Internetplattform „rent a pastor“ weggemietet hat. Der hält die Ehe, na klar, „nicht für heilig“ und will beweisen, dass Emotionen eben nicht die beste Grundlage für eine erfüllende Ehe sind. Soll heißen: Gefühle vergehen — wir sagen Ihnen, was wirklich gut für Sie ist!

Für Tim Kirschbaum (31) aus Wuppertal ist die Düsseldorferin Beate Bäcker (32) gut. Sagen die „Experten“. Es gibt Matching-Points, so heißt das: Treue, Sexualität, Dominanz, Bindungsvermögen. Und wenn’s passt, dann hat Tim sein „Match“ mit Beate. Die braucht „erstmal einen Schnaps“ und heiratet Tage später im Saal von Schloss Morsbroich in Leverkusen Tim.

Beide stellen sich kurz einander vor und geben sich, wo man sich ja schon mal kennt, sogleich das Ja-Wort. Schauen verliebt, finden sich toll. „Wenn ich ihm in die Augen sehe, bin ich glücklich“, sagt Beate. Und Tim sagt: „Das ist wie vom Zehnmeter-Turm springen. Wenn man erstmal unterwegs ist, ist es schön.“ Und man möchte hinzufügen: Hoffentlich ist Wasser im Becken.

Aber das wird der Sender herausfinden. Nach sechs Wochen: Vier Paare heiraten, Flitterwochen, Kamerateam im Handgepäck, zack, zack und dann bitte entscheiden, immerhin steht das nächste Format schon in den Startlöchern. Zusammen bleiben oder doch gleich Scheidung, und abends wieder Ravioli aus der Dose?

Die Aufregung funktioniert nicht nur bei Woelki: „Die Ehe ist definitiv kein Spaß für eine kurze Fernsehunterhaltung“, sagt Margot Käßmann, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche. Dabei geht es doch darum, sagt der Sender, Liebe zu lernen. Die Zeit als Single, sagt der Seelsorger, sei für viele Kandidaten auch eine Zeit des Leidens gewesen. Alles Gewinner. „Früher bei den alten Rittersleuten war es auch nicht anders“, sagt Renate Bäcker. Die neue Schwiegermutter von Ritter Tim.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort