Umgang mit Flüchtlingen: "Die Heimat zu verlieren, ist das Schlimmste"

Übergriffe, Skepsis, Ablehnung in der Bevölkerung. In NRW macht sich aber langsam eine Gegenbewegung bemerkbar.

Umgang mit Flüchtlingen: "Die Heimat zu verlieren, ist das Schlimmste"
Foto: Thilo Schmülgen

Aachen. Der Opa von Frau Kempka hat mal was Kluges gesagt: „Kind, sei freundlich zu den Leuten. Die Heimat zu verlieren, ist das Schlimmste, was einem passieren kann.“ Das ist viele Jahre her — damals als die Flüchtlinge im Zweiten Weltkrieg aus Ostpreußen kamen. Aber die 87-jährige Aachenerin hat das nicht vergessen. Gerade jetzt, wo es so viele Diskussionen über Flüchtlinge gibt. Die Frau wohnt im Stadtteil Eilendorf und hat gerade in der Bäckerei eingekauft.

Gegenüber stehen die Häuser, die für soviel Unruhe „im Dorf“ gesorgt haben. Obwohl der Ortsteil von Aachen 15 000 Einwohner hat, sprechen die Leute von „Dorf“. 65 Flüchtlinge sind in Eilendorf untergebracht, die ersten in Mietshäusern. Widerstand regte sich, als die Stadt zwei Häuser nur für Flüchtlinge kaufte. Die rechtsextreme Partei Pro NRW wollte die Anti-Stimmung bei einer Demo anzuheizen.

„Der Pfarrgemeinderat rief die Leute dazu auf, die Flüchtlinge willkommen zu heißen“, erzählt der pensionierte Lehrer Peter Quadflieg. Wer da alles kam: Vereinsvorsitzende, Vertreter der Kirchen, Politiker, die Bürger und der Oberbürgermeister. Das war der Beginn des Eilendorfer Bündnisses für Integration. Dieses backt gerade unten bei der Sozialarbeiterin für die Flüchtlinge Waffeln. Es ist Sprechstunde.

„Wenn man zusammen isst, kommt man doch leichter ins Gespräch“, sagt die frühere Kindergarten-Leiterin Renate Wolter. Die Menschen stehen in Grüppchen zusammen — ein munteres Sprachengewirr. In den Mienen spiegeln sich nicht mehr schreckliche Erlebnisse. Peter Quadflieg und seine Frau wollen den Leuten zügig Sprachunterricht anbieten — in kleinen Gruppen, am besten in einer der Wohnungen.

Manchmal helfen schon Kleinigkeiten im Zusammenleben. Etwa als sich Anwohner beschwerten, dass gebrauchte Windeln im Gelben Sack landen. Da haben die Initiativler den Menschen aus Afghanistan, Eritrea und Syrien erst mal was über Mülltrennung erzählt. „Denen ist doch so vieles fremd“, sagt Frau Wolter. Viele haben im Sommer das erste Eis in ihrem Leben geschleckt, eingeladen von den Helfern.

Es gibt mehrere Initiativen im Land wie die in Eilendorf, beobachtet Birgit Naujoks: „In Essen-Frintrop gab es zuerst eine Anti-Stimmung. Als dann die ersten Flüchtlinge mit Bussen kamen, wurden sie als Menschen wahrgenommen. Da bildete sich dann so ein Willkommenskreis.“ Naujoks ist Geschäftsführerin des Flüchtlingsrats NRW, der Initiativen und Beratungsstellen vernetzt.

Ob Mülheim-Styrum, Duisburg, Köln-Sürth, Köln-Riehl oder Wickede-Wimbern — an vielen Orten hätten sich „Willkommensinitiativen“ gegründet. Das sei gut für das gesellschaftliche Klima: „Ich denke, dass diese Initiativen einen sehr positiven Einfluss haben“, sagt Naujoks. Es sei wichtig, Menschen und Einrichtungen mit einzubinden, die üblicherweise nichts mit Flüchtlingen zu tun haben.

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