Weihnachten auf dem Containerschiff

Wenn die Familie um den Christbaum sitzt, schwitzt der Gladbacher Michael Wolf in einem 10 300 Kilometer entfernten Hafen.

Paita/Peru. Auch wenn man sich vier Jahre vorbereitet hat, kann ein Detail danebengehen. Michael Wolf wollte diesmal weit weg von Kirche, Krippe, Baum und Braten. Er feiert Weihnachten in Peru. Es ist Sommer in Südamerika, 30 Grad, und Michael Wolf hat keine Badehose dabei.

Kaufen kann er sich gerade keine, denn für drei Monate ist die MS Lutetia mit 35 881 Bruttoregistertonnen sein Zuhause. Auf einem Frachtschiff reist er um die halbe Welt. 10 300 Kilometer entfernt von Frau und Enkelkindern. Weihnachten feiert er trotzdem, aber nicht am 24., sondern erst am 25. Dezember, weil Heiligabend noch Ladung umgeschlagen wird im Hafen von Paita.

Auf einem Containerschiff steht die Fracht im Mittelpunkt, nicht der Passagier. Fast drei Wochen war Michael Wolf seit der Abreise aus Europa nicht an Land. Containerschiffe bleiben stets nur kurz in fremden Häfen. Egal ob Le Havre oder Panama — mehr als einen Tag Zeit hat man so gut wie nie. Der Kapitän muss seine Fracht pünktlich abliefern.

Der Kapitän der Lutetia, ein Rumäne, hat Mitte der Woche einen Weihnachtsbaum ausgepackt — und Schmuck, der nach westeuropäischem Geschmack für drei Bäume reicht. Außerdem werden Girlanden, Lampions und bunte Kugeln aufgehängt. Bunt ist auch die Besatzung: 19 Mann aus sechs Nationen, Rumänen, Ukrainer, Litauer, Polen und Philippinos. Nur ein Offizier ist Deutscher, obwohl das Schiff zur Hamburger Reederei Hammonia gehört.

Aber es wird ordentlich gefeiert. Statt Weihnachtsmenü steigt eine Grillparty mit Spanferkel, dafür wird extra das Deck geschmückt. Ein Fernseher wird aufgestellt, und dann können alle Karaoke singen. Mit Weißwein, Rotwein, Bier und Brandy wird vermutlich Stimmung aufkommen. Und Silvester sollte Michael Wolf einen ausgeben, denn dann hat er Geburtstag. Den 70ten fern der Heimat auf See zu feiern, das war sein Traum.

Mit den beiden anderen Passagieren, Jens aus Kyritz und Wulf aus Pinneberg, geht der Rentner täglich auf die Brücke und informiert sich über Kurs, Geschwindigkeit und Lage des Schiffes. Links und rechts von der Brücke können sie lesen, sich sonnen und auf den Pazifik schauen. „Dreimal am Tag treffen wir uns in der Offiziersmesse zum Essen, aber für Gespräche bleibt meist nicht viel Zeit.“ Etwa zweimal pro Woche macht das Trio einen Rundgang durchs Schiff, das sind knapp 500 Meter.

Zwölf Häfen läuft die Lutetia auf ihrer Strecke an, von Hamburg nach Südamerika und wieder zurück. Aber das Beste ist eine Fahrt im Schneckentempo: Die Passage durch den Panamakanal. Zehn Stunden braucht die Lutetia für die 81 Kilometer und die sechs Schleusen, links und rechts der Regenwald. Für Schiffsliebhaber ein absolutes Highlight. Michael Wolf hat das Glück, dass er bei Tage und bei gutem Wetter dort war, das ist nicht immer so. Für die Besatzung, mailte er vor einer Woche, sei das ein anstrengender Tag gewesen: „Teilweise waren drei Lotsen an Bord und wir durften auf der Brücke dabei sein.“

Und direkt danach noch ein Höhepunkt: Die Äquator-Taufe. Als das Schiff den Äquator überquert, hält der Kapitän eine kurze Rede und die Täuflinge müssen einen weißen Schnaps trinken, der sich als Salzwasser herausstellt. Dann gibt es eine Urkunde und Sekt für alle.

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