Weitblick oder Wohnungen: Berliner entscheiden über Tempelhofer Feld

Der Natur- und Erholungsraum soll nach Willen der Landesregierung bebaut werden. Initiative kämpft für Erhalt der Freifläche.

Weitblick oder Wohnungen: Berliner entscheiden über Tempelhofer Feld
Foto: dpa

Berlin. Wo der Skateboarder lässig seine Kurven zieht, werden auch nach dem 25. Mai keine Häuser stehen. Die Mitte des Tempelhofer Feldes bleibt frei, egal wie Berlin beim anstehenden Volksentscheid abstimmt. 100 Meter weiter aber, am Rand der riesigen Freifläche, könnten Wohnungen entstehen, die die Hauptstadt so dringend braucht, die den einmaligen Natur- und Erholungsraum auf dem ehemaligen Flughafengelände aber auch beschneiden würden.

Am Tag der Europawahl stimmen die Berliner auch über die Zukunft des Tempelhofer Feldes ab. Glaubt man Politikern und einer Initiative, geht es dabei um mehr als um ein paar Häuser. Das Tempelhofer Feld ist diese riesige freie Fläche im Zentrum der Metropole. Sie ist etwa so groß wie der New Yorker Central Park, doch Park kann man sie eigentlich nicht nennen: kaum Bäume, die einzigen Wege sind ehemalige Flughafen-Runways.

Es ist ein Ort zum Durchatmen und Ins-Weite-Schauen. Einmal drumherum zu laufen dauert mehr als eine Stunde. Man trifft Inline-Skater, Radler, Stadtgärtner, im Sommer Sonnenanbeter und Grill-Freunde, im Winter Skiläufer. Darf der Rand dieser großen Brache bebaut werden, oder soll das Feld so bleiben, wie die Berliner es sich vor vier Jahren erobert haben: als leere Steppe mitten im Häusermeer? Das steht zur Abstimmung.

Auslöser des Streits sind Pläne der rot-schwarzen Berliner Landesregierung. Die möchte am Tempelhofer Feld 4700 Wohnungen bauen, eine Schule, einen Sportplatz, Gewerbeflächen und eine Bibliothek. Konkrete Pläne hat Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) für die Westseite vorgelegt: Wohnungsbaugesellschaften sollen 1700 Wohnungen schaffen — die Hälfte davon zu subventionierten Mieten. In der Mitte bliebe eine freie Fläche, größer als das Fürstentum Monaco.

Eine Bürgerinitiative aber rechnet anders: 45 Prozent des Feldes würden versiegelt oder entfremdet. Dabei sei das Gelände aus ökologischer Sicht ein Juwel, eine Frischluftschneise und Heimat seltener Tiere. Der ehemalige Flughafen soll rau bleiben. Der SPD/CDU-Senat wirft ihr vor, sie wolle „Stillstand“.

Die Wohnungen am Tempelhofer Feld könnten jedoch teuer werden. Entwürfe zeigen Innenhöfe und freien Blick vom Balkon. Selbst die subventionierten Wohnungen sollen noch sechs bis acht Euro pro Quadratmeter kosten. „Ausgerechnet die Leute, die das ehemalige Flughafengelände erobert und gestaltet haben, werden verdrängt“, sagt Erika Landscheidt von der Initiative. „Und das Feld wird 20 Jahre lang eine Baustelle sein.“

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