Wenn der Tod vor dem Leben weicht

Mit ihren Osterkerzen möchte Schwester Clara Vasseur aus der Abtei Mariendonk am Niederrhein Menschen einen Weg zu Christus erschließen.

Schwester Clara Vasseur zeigt im Kreuzgang des Klosters ihre Osterkerze für die Abtei Mariendonk — mit einer Mosaikarbeit in Rot und Gold auf reinem Bienenwachs.

Schwester Clara Vasseur zeigt im Kreuzgang des Klosters ihre Osterkerze für die Abtei Mariendonk — mit einer Mosaikarbeit in Rot und Gold auf reinem Bienenwachs.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Grefrath. Wenn der Docht der Osterkerze in der Nacht zum Sonntag Feuer fängt und die Flamme aufleuchtet, dann ist das für Schwester Clara Vasseur der wichtigste, der entscheidende Moment. „Er steht zeichenhaft für das, was wir an Ostern feiern: dass die Finsternis vor dem Licht und der Tod vor dem Leben weichen muss.“

Jugendliche gestalten mit Schwester Clara die Osterkerze für ihre Kirchengemeinde selbst.

Jugendliche gestalten mit Schwester Clara die Osterkerze für ihre Kirchengemeinde selbst.

Foto: Lübke, Kurt (kul)

Symbolik ist das große Thema der 44-jährigen Ordensfrau, die vor bald zwei Jahrzehnten von der Loire an den Niederrhein kam. Allein zu dem, was die Osterkerze versinnbildlicht, hat sie sechs Jahre lang in jeder Minute ihrer knappen Freizeit geforscht. Herausgekommen ist ein mit vielen Darstellungen angereichertes Buch, das Bezüge (wieder) herstellt und dem Betrachter auf diese Weise christliche Glaubensinhalte erschließt.

Für das bevorstehende Fest wurden im Atelier der Abtei Mariendonk geschätzt 70 Osterkerzen kunstvoll verziert und in alle Himmelsrichtungen bis nach Tansania und Australien verschickt. Die letzten drei gingen am Mittwoch noch auf die Reise, um in München zu glänzen.

Dabei kommt es Schwester Clara selbst gar nicht so sehr auf die „Deko“ an. Wichtig seien vielmehr Maß und Material: „Die Osterkerze sollte die größte Kerze sein, die im gottesdienstlichen Geschehen des Kirchenjahrs zum Einsatz kommt. Und sie sollte, ihrer Bedeutung angemessen, aus wertvollem duftenden reinen Bienenwachs bestehen.“

Der Brauch, an Ostern eine besondere Kerze anzuzünden, reicht mindestens bis ins vierte Jahrhundert zurück — und knüpft ursprünglich an die heidnische Tradition eines Brandopfers an. In der (Um-)Deutung für die Osternacht symbolisiert die teure, leibfarbene Kerze den auferstandenen Christus.

Die Herstellung der Kerzen aus gebleichtem Bienenwachs übernimmt Bruder Clemens Wittmann, Benediktiner aus der bayerischen Abtei Schweiklberg. Der Imker fertigt von Hand, was Schwester Clara mithilfe einer weitgehend festgelegten Auswahl an Motiven nach den Wünschen der Kunden gestaltet. Bis zu 360 Euro kosten die ein Meter hohen Werke. Abnehmer sind vor allem Kirchengemeinden, die bereits im Vorjahr ihre Bestellung aufgegeben haben.

Mancher macht sich aber auch unter dem wachen, prüfenden Blick der Schwester selbst ans Werk — wie die drei Jugendlichen aus der Gemeinde St. Mariae Geburt in Kempen. Sie begreifen dabei im wahrsten Wortsinn neu: „Ohne Licht ist es schwierig zu leben“, sagt Miriam Köhler (19). „Wenn wir das Licht wie in der Osternacht mit anderen teilen, dann wird es immer mehr, immer heller“, sagt Valerie Onkelbach (15).

„Lumen Christi“ („Christus, das Licht“) rufen die Mitfeiernden in der Liturgie der Osternacht, wenn sie hinter der brennenden Kerze her in die Kirche einziehen. Wer das erlebt, so Schwester Clara Vasseur, dem erschließt sich ein Satz aus dem Johannes-Evangelium der Bibel intuitiv. Dort sagt Jesus: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir folgt, tappt nicht mehr im Dunkeln, sondern hat das Licht und mit ihm das Leben.“

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