Algen im Tank: Forscher arbeiten am Kerosin der Zukunft

Jülich (dpa) - Keine Science-Fiction: Flugzeuge sollen in Zukunft mit Kerosin aus Algen fliegen. Technisch kein Problem. Aber noch ist dieser Treibstoff zu teuer. Darum suchen Forscher nach der Super-Alge.

Algen im Tank: Forscher arbeiten am Kerosin der Zukunft
Foto: dpa

Ladislav Nedbal hat zu seinen Algen ein recht spezielles Verhältnis. „Du gehst durch die Felder und siehst sie wachsen.“ Begeisterung schwingt mit. Wobei der Wissenschaftler durch ein „Feld“ der etwas anderen Art geht: Es liegt im Forschungszentrum Jülich, in einem Gewächshaus, ausgestattet mit Messtechnik und Schläuchen, die mit Wasser gefüllt sind. Darin wachsen Algen. Das mit dem „Wachsen-Sehen“ darf man durchaus wörtlich nehmen.

Die winzigen Algen vermehren sich rasend schnell und produzieren sieben- bis zehnmal soviel Masse wie Landpflanzen. In den durchsichtigen Schläuchen färben sie das Wasser grün. Die Luftfahrt sieht in den Algen einen Rohstoff für das Kerosin der Zukunft: In 20 Jahren könnten möglicherweise viele Flugzeuge damit fliegen.

Vereinzelt haben Flugzeuge schon Kerosin aus Pflanzenöl im Tank. Joachim Buse, Vorstand der Biokraftstoff-Initiative der Deutschen Luftfahrt (Aireg), sieht Pflanzenöle aus klassischem landwirtschaftlichen Anbau kurz vor der Wettbewerbsfähigkeit. Der Verein, dem alle deutschen Airlines angehören, verfolgt das Ziel, alternative Kraftstoffe mit besserer CO2-Bilanz in den Verkehr zu bringen.

Buse denkt weiter: „Die Nachfolge-Generationen sind dann möglicherweise in 20 Jahren die Algen.“ Sie würden keine Agrarflächen verbrauchen und nicht in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehen. Algen produzieren viel Masse, wachsen platzsparend in Schläuchen, Röhren oder Sieben und enthalten bis zu 70 Prozent fette Öle, ähnlich dem Pflanzenöl.

Aber im Vergleich zu fossilem Treibstoff seien sie noch zu teuer, sagt Andreas Müller, einer der Jülicher Projektkoordinatoren. Kontrovers diskutierte Berechnungen gingen von einem Faktor fünf bis zehn aus. Die Jülicher Forscher haben mit elf Partnern mit einer wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zur Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit begonnen. Der Bund fördert das Projekt Aufwind mit 5,7 Millionen Euro.

Parallel dazu suchen die Forscher nach der Super-Alge. Das Ideal für die Kerosin-Produktion: eine Alge, die möglichst viel Kohlenstoffdioxid aufnehmen und gar nicht genug Sonne kriegen kann. „In der Natur wachsen die Algen zum Licht. Wenn es zu viel wird, geben sie die Sonnenenergie wieder ab. Wir wollen sie so züchten, dass sie das Licht weiter nutzen können“, sagt Nedbal. So könne die Effizienz gesteigert werden.

Es ist die berühmte Suche im Heuhaufen: „Rund 40 000 Algenarten sind bekannt und es gibt Schätzungen von bis zu Hunderttausenden Arten“, sagt Andreas Müller und stellt einen entfernten Vergleich mit der Kartoffelzucht an. Im Vergleich dazu legt die Algenzucht ein extrem hohes Tempo vor: Bei die Züchtung brauchen Kartoffeln etwa zehn, aber auch schon mal 30 Jahre, die Algen gerade mal ein paar Tage. „Wenn wir den richtigen Kandidaten finden, wird es wirtschaftlich interessant“, so Müller.

Die Flugzeuge wären schon jetzt startklar für das Algen-Kerosin. „Alle alternativen Kraftstoffe können in den Triebwerken, wie sie heute sind, verbrannt werden“, sagt Buse. Bis dahin ist es dennoch ein weiter Weg. Mit 1500 Quadratmeter Algen-Produktionsfläche rangieren die Jülicher nach eigenen Angaben europaweit ganz vorn. Trotzdem käme ein Flieger mit der produzierten Jahresmenge nicht sehr weit. Ganze sechs Minuten könnte er fliegen, haben die Forscher ausgerechnet.

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